Kunstszene

Atelierbesuche in der Metropolregion

Wenn der Bär mit dem Bild boxt: ARTIMA-Interview mit Alex Bär

An einem regnerischen Morgen besuche ich Alex Bär in seinem Atelier in Ludwigshafen-Gartenstadt. Bei einem Kaffee und einem Tee kommen wir sofort in ein ruhiges, vertrauensvolles Gespräch. Ich merke, dass Alex Bär einerseits ein sehr emotionaler, bodenständiger Mensch ist aber sich gleichzeitig rational sehr viele Gedanken macht: Über meine Fragen und die passenden Antworten und ganz besonders dann, wenn er malt. Ein wenig lässt er ARTIMA teilhaben an seinen Gedanken. Sein zentrales, künstlerisches Thema ist dabei das Suchen nach den richtigen Proportionalitäten von eigentlich zwei Gegensätzen.

Fotos: Isabelle Haupt

Sie fertigen Malereien, Gemälde und Zeichnungen an und nutzen dabei unterschiedliche Materialien. Die figurative Malerei - Figuren und ihre Stellung im Raum - scheint typisch für Sie zu sein, dabei stechen vor allem Frauenfiguren immer wieder ins Auge. Was hat es damit auf sich?
Die Themen, die mich außerhalb des Künstlerdaseins interessieren, sind zugleich auch die Themen in meiner Kunst. Ich muss die Themen nicht suchen, sie holen mich einfach ein. Es können gesellschaftliche oder politische Themen sein aber auch sehr persönliche und intime.

Ich entwickle dabei keine Außensicht auf die Dinge oder die Welt. Ich bin eigentlich immer selbst „Teil des Bildes“ und nehme dabei auch Position und Partei ein. Dazu gehört natürlich auch die Faszination des anderen Geschlechtes, neben vielen anderen vermeintlich kleinen und wahrhaftig großen Themen. Dazu gehören natürlich auch gesellschaftliche und politischen Themen. Aber es sind zum Beispiel auch Beobachtungen der Landschaft unter meinen Arbeiten.

Mein zentrales, künstlerisches Thema ist dabei aber das Suchen nach den richtigen Proportionalitäten von eigentlich zwei Gegensätzen. Diese widersprüchlichen Pole möchte ich dann so in Beziehung zueinander setzen, dass sie sich nicht gegeneinander ausspielen und egalisieren sondern beschwängern, also in Spannung kommen.

Damit meine ich nicht in erster Linie die Pole hell/dunkel, die Farbkontraste usw. sondern etwas Tieferes, was mich interessiert. Zum Beispiel etwa die „Pole“ Klassizität versus Modernität, … barocke Eleganz versus formale Reduktion...Dynamik versus Stabilität...Persönliches versus Emblematisches...Also grundsätzliche Dinge, die mir wichtig sind. Letztendlich muss das Bild dann auf vielen unterschiedlichen Ebenen solche oben erwähnten „Gratwanderungen der Gegensätze“ im richtigen Schwingungsverhältnis durchdeklinieren. Dieses Auswiegen der Gegensätze läuft in meinen Arbeiten durch wie ein roter Faden.

Können Sie beschreiben, welche Prozesse Sie durchlaufen, wenn Sie ein Bild malen?
Meist stehen die Atmosphäre und die wesentlichen Elemente, die ich auf die Leinwand bringen möchte, im Kopf bereits ziemlich präzise fest. Aber es ist ein sehr vages Bild, was die Komposition der Einzelteile betrifft. Der erste Schritt ist dann meistens, das Bild in groben Zügen so aufzubauen, wie das Kopfbild es mir vorgibt. Das ist nicht so schwierig. Dann aber wird es schwierig, die notwendigen Bildelemente zu entwickeln und so zu ordnen, bis das Bild, das mir im Geiste vorschwebt, entsteht. Die Materialisierung der Idee ist sehr langwieriger und schwierig. Dabei entsteht eine  Gratwanderung zwischen „zielorientiertem Wollen“ und darauf achten, was auf der Leinwand im Prozess entsteht. Und doch: Die „Kommunikation“ zwischen mir und dem Bild empfinde ich nicht selten als eine Art Boxkampf, den das Bild meist gewinnt. Das Bild zeigt mir oft, das es stärker ist als ich und dies kann wochenlang dauern (lacht). Irgendwann kann es dann sein, dass das Bild dann so ist, wie ich es mir vorgestellt habe.

Sie gewinnen also doch auch mal. Gibt es bei Ihren Bildern den Zustand „fertig“?
Im Prinzip ist es so, dass ich mich über mehrere Wochen mit einem Bild beschäftige und einen Entwicklungskampf führe, bis  ich dann irgendwann mal an einen Punkt komme, an dem der „Kampf“, und diese Unsicherheit, sich auflöst und ich einen Zustand erreiche, mit dem ich einigermaßen zufrieden bin.

Ihre Beschreibung klingt für mich danach, als sei der Zustand des „Fertigseins“ gar nicht verbunden mit einem Glücksgefühl, sondern eher mit einem Gefühl der Leere?
Ganz richtig, ja (lacht). Es ist selten ein Glücksgefühl, weil man sich schon lange diesen Moment ersehnt hat und eigentlich glaubte man ja auch, dieser Zustand hätte sich längst einstellen müssen. Jedes Bild ist wie eine Prüfung. Das ist das Interessante an der Malerei. Es ist immer wieder eine neue Herausforderung. Es ist aber manchmal auch schwierig das auszuhalten und deshalb neige ich manchmal dazu, Berufsgruppen wie Ärzte oder Handwerker, die auf gewisse Tätigkeiten zurückgreifen und mehr oder weniger routinemäßig etwas abarbeiten können, zu beneiden. Dies gelingt mir selbst nie. (Denkt nach) Aber es ist nicht so schwierig zu spüren, wenn etwas fertig ist… Es ist eher anders herum, dass man sich vielleicht selbst betrügt und sich einredet, es sei fertig, dabei braucht es noch eine Zeit. Es kann auch vorkommen, dass ich ein Bild nach einiger Zeit noch einmal hervorhole und es verändere, um es stärker zu machen.

Der Fotograf SteveMcCurry formulierte einmal: „Die Fotografie ist eine einsame Kunst.“ Empfinden Sie die Malerei auch als eine einsame?
Ja, grundsätzlich stimmt das schon. Nichtsdestotrotz ist das Alleinsein und Malen im Atelier meine Art und richtig für mich, auch wenn es etwas Schönes hat, mal im Team zu arbeiten. Ich erinnere mich an meine Tätigkeit als Grafiker.
Aber ich würde dem Zitat vollkommen recht geben. Es ist nicht nur, dass man alleine im Atelier arbeitet, sondern auch ständig alleine beurteilen muss, ob das, was man tut, nun gut ist oder nicht und welche Schritte notwendig sind, um dahin zu kommen, wohin man will. Ständig zu entscheiden braucht viel Mut.
Die Malerei ist eine Aneinanderreihung von ständigen Entscheidungen. Mit jedem Pinselstrich verändere und übermale ich etwas, und setze etwas Neues. Es ist auch nicht sicher, ob es für die Rezipienten immer nachvollziehbar ist, was mir an diesem langen Prozess so wichtig war…Das weiß ja nur ich. Und es kann nur meine Entscheidung sein, die mir niemand abnehmen kann. 

Bild: Alex Bär, "Mit weisser Blume", 180 x 150 cm, Mt. a. Lw., 2019 

Ihre Werke sind abstrakt, haben aber einen Realismus-Ansatz. Dieser neue Realismus findet sich ja in der „Neuen Leipziger Schule“. Fühlen Sie sich der „Neuen Leipziger Schule“ verbunden?

Diese Assoziation kommt nicht von ungefähr.... Wobei man vielleicht auch nochmals etwas unterscheiden sollte zwischen der „neuen und „alten“ Leipziger Schule.  Als ich noch im Osten lebte, wo dieser Begriff im wahrsten Sinne des Wortes näher war, wurde ich auch immer der „Leipziger Schule“ zugerechnet. Solche Schubladisierungen sind immer etwas problematisch. Es gibt aber auch gute Gründe. Die spezifischen stilistischen Mittel oder die Art des Geschichtenerzählens ist sicher auch bei mir zu sehen. Es gibt aber auch Dinge, die mir besonders an der „Neuen Leipziger Schule“ nicht gefallen, so etwa die oft zu beobachtende Koketterie mit dem Pop.... oder die Tendenz zur Nostalgisierung.  Es ist meines Erachtens nicht nötig, ständig in irgendeiner Form die Ästhetik der 50er oder 60er Jahre zu zitieren.

Gibt es Tage, an denen Sie aus dem Atelier gehen und nichts auf die Leinwand bringen können?
Es geht sogar noch weiter! Ich komme ins Atelier und habe bis zum Abend mehr zerstört als ich geschafft habe. Dies ist ein Prozess, der sehr oft passiert. Wenn ich an einem Bild arbeite, kann ich es beim Suchen nach der richtigen Form sehr schnell in einen Zustand bringen, in dem es überhaupt nicht mehr funktioniert. Dann muss ich eine neue Lösung suchen und das ist dann manchmal sehr frustrierend (lacht)... Dazu kommt, im Gegensatz zu z.B. abgespeicherten Texten, dass ich die alte Form nicht mehr zurückholen kann. Was weg ist, ist weg!

Aber die positiven Tage scheinen doch zu überwiegen. Sie haben bereits sehr viele Malereien angefertigt. Wo würden Sie diese gerne einmal ausstellen?
Ausstellungen und wo die Bilder letztendlich hängen, sind mir eigentlich nicht so bedeutend. Natürlich freue ich mich, dass meine Bilder gesehen werden aber der örtliche Kontext ist mir eigentlich nicht so wichtig. Dass der Prozess dessen, was ich erlebt und gefühlt habe, auf der Leinwand festgehalten ist, ist mir wichtiger. Das Bild steht immer für sich und ist unabhängig der Örtlichkeit gut oder weniger gut.

Es gibt natürlich Orte, an denen ich gerne bin, an denen ich mir vorstellen könnte, das meine Kunst dort gezeigt wird. Im Osten Deutschlands oder im Süden Europas wird meine Kunst oft anders wahrgenommen, weil die Tradition der Kunstrezeption - mindestens zum Teil -  eine andere ist. Vielleicht dort?

Herzlichen Dank, Herr Bär, für die Einladung in Ihr Atelier und das schöne Gespräch! 


Das Interview wurde hier gekürzt veröffentlicht. Sie sind jedoch Feuer und Flamme und möchten weiterlesen? Zum vollständigen Interview mit Alex Bär


Das Interview führte Isabelle

 


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