Kunstszene

„Augsburger Kunstwelten“: Zwei Tage in einer anderen Welt

16. Kunstsachverständigentag in der Kunstmetropole der Renaissance Augsburg

Augsburg - Weltkulturerbe, Sitz des ehemaligen Fugger-Imperiums und ehemalige römische Provinzhauptstadt von Kaiser Augustus. Welch ein Glück für ARTIMA, am erstklassigen Programm des diesjährigen Kunstsachverständigentags teilgenommen zu haben. Wir hätten sonst sehr wertvolle Informationen verpasst.

Deutscher Kunstsachverständigentag 2018 Augsburg (Quelle: BVS)

Den Kunstsachverständigentag in Augsburg abzuhalten, stand wohl schon seit rund 15 Jahren im Raum. Nun war es Mitte Mai 2018 endlich soweit: Zur Veranstaltung und Tagung des Bundesverbandes öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger trafen sich rund 70 Teilnehmer in einer der ältesten Städte Deutschlands. Organisiert und geplant wurde die Veranstaltung mit dem Motto „Augsburger Kunstwelten“ und einem lehrreichen aber äußerst kurzweiligen Programm federführend von Dr. Frithjof Hampel, Bundesfachbereichsleiter Kunst, Antiquitäten und Juwelen.

  • Erstes Highlight:

    Mit dem bereitgestellten Shuttle-Bus ging es zuerst nach Kirchheim zum Fuggerschloss. Dort begrüßte uns Angela Gräfin Fugger von Glött höchstpersönlich. Sie führte uns durch das beeindruckende Kernstück des Renaissance-Schlosses, den Zedersaal mit seiner einzigartigen Kassettendecke. Spannend war zu erfahren, dass die größte Holzdecke der Renaissance bisher alle Kriege überstanden hat und aus unzähligen Holzarten besteht, die leider bis heute nicht genau definiert und untersucht werden konnten. Heute finden hier, in diesem besonderen Rahmen, zahlreiche Konzerte statt. Zurück in Augsburg fand ein Spaziergang mit Führung durch die Fuggerei statt, der ältesten noch bestehenden Sozialsiedlung der Welt. Wir erlebten hautnah den Alltag der hier lebenden Bewohner.

  • Nächstes Highlight:

    Im Anschluss ging es zum Goldenen Saal des Rathauses, wo ein Empfang mit dem OB der Stadt Augsburg, Herrn Dr. Kurt Gribl, stattfand. Seine persönliche Begeisterung für die Kunst- und Kulturlandschaft in Augsburg kam in seiner Rede deutlich zum Ausdruck. Nach diesem erlebnisreichen Tag kehrten wir am Abend ein und ließen den Tag bei sehr interessanten Gesprächen mit Kunstsachverständigen und Anekdoten aus dem Alltag ausklingen.

Am nächsten Tag begann der offizielle Teil mit den Fachvorträgen im prunkvollen Ambiente. Wir betraten morgens den geschichtsträchtigen Rokokosaal des Schaezlerpalais, wo wir von Willi Schmidbauer, Präsident des BVS, begrüßt wurden. Dieser betonte, dass der Kunstsachverständigentag „eine bedeutende Veranstaltung für die Sachverständigen, die Kunstszene und den Kunstmarkt als Plattform für die inhaltliche und themenübergreifende Diskussion, den gemeinsamen Austausch und das Netzwerken“ sei. Der Dank ging an Dr. Christof Trepesch, Direktor Kunstsammlungen und Museen Augsburg, dafür, dass der Kunstsachverständigentag an diesem eindrucksvollen Ort stattfinden konnte. Angesprochen wurde die Wichtigkeit der Themen Wertminderung und die Wertbestimmung von Kunstgegenständen.

Herr Dr. Hampel eröffnete seine Rede wie folgt: „Heutzutage sind ca. 50 bis 60 Prozent der Kunstgegenstände gefälscht. Wir müssen neue Wege bei der Bewertung beschreiten. In Zukunft werden wir noch stärker mit Analysen und Laboren arbeiten müssen, die Fälschungen, Teilfälschungen oder Verfälschungen aufdecken.“ Eine besorgniserregende Tatsache.

Aufgrund der hohen Kunstfertigkeit ihrer Gold- und Silberschmiede wurde Augsburg zur Kunstmetropole der Renaissance. Aber hier in der Fugger-Stadt wurden auch aufwendige Kunstschränke, Kleinode der Hinterglasmalerei und beeindruckende Kunstwerke hergestellt.

Durch die hohe Qualität dieser hier geschaffenen Kunstwerke wurde Augsburg eine berühmte und reiche Stadt. So widmeten sich die Vorträge ebendiesen Themen und waren ganz auf Augsburg bezogen:

Titel des ersten Vortrags von Dr. Annette Schommers, Referentin für Edle Metalle und Hohlglas, Archiv zur Augsburger Goldschmiedekunst, Bayerisches Nationalmuseum München, lautete ganz in diesem Zeichen „Was man in Augsburg macht, das muss die Probe halten – Zum Stand der Augsburger Silbermarkenforschung“. Wir erhielten mit diesem Vortrag einen umfassenden Einblick in die Bedeutung von Augsburg als Goldschmiedemetropole Mitteleuropas und von Qualitätsstandards in Sachen Marken und Stempelungen.

Frau Magistra Julia Quandt, wissenschaftliche Mitarbeiterin Kunstsammlungen und Museen Augsburg und Projektleiterin Hinterglaskunst, Deutsche Barockgalerie, widmete sich in ihrem Vortrag dem Thema „Zerbrechliche Kunst – Augsburg und die Hinterglasmalerei“. Sie erzählte, wie die Hinterglasmalerei sich in Augsburg, trotz der Tatsache, dass das Rohmaterial Glas im 16. Jahrhundert als Kostbarkeit galt, entwickeln konnte und ihre Blütezeit erlangte. Auch hier wurde betont, dass in Augsburg gefertigte Hinterglasmalereien sich durch hohe Qualität und beste Verarbeitung auszeichnen.

Seit 2001 wird in den Kunstsammlungen und Museen Augsburg Provenienzforschung betrieben. Wie arbeitet eigentlich ein Historiker, der sich mit Provenienzforschung befasst? Dies erklärte uns Historiker Horst Keßler, M.A. in seinem Vortrag „Provenienzforschung und Restitutionsfragen am Maximilianmuseum Augsburg“. Er gab uns Einblick in seine Tätigkeit und zeigte auf, wie mühevoll es sein kann, Recherche zu betreiben und Umstände zu rekonstruieren. Er berichtete über die sogenannten „Judenaktionen“ in Augsburg sowie über Beschlagnahmungen und Rückerstattungen anhand von Beispielen. Die Stadt Augsburg bemüht sich sehr, die Recherchen weiter voranzutreiben.

Auf der Suche nach dem authentischen Luther – Lutherbildnisse auf dem Prüfstand“, so lautete der Vortragstitel von Dr. Daniel Hess, Leiter der Sammlung Gemälde bis 1800/Glasmalerei, Stellvertreter des Generaldirektors, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg. Ein sehr spannendes Thema, denn es ging darum, welches der zahlreichen uns geläufigen Portraits von Luther das authentischste ist bzw. welches ihn naturgetreu wiedergibt. Während Luthers Schriften bis ins Detail erforscht sind, ist dies bei den Bildnissen nicht der Fall. Massenmedien von Holzschnitt und Kupferstich boten sich zur Verbreitung an, auch die Cranach-Werkstatt produzierte in Serie Portraits zur Bild-Propaganda Luthers. Wir lernten, wie damals Schablonen für die Bildnisse verwendet wurden und dass es ein authentisches Abbild Luthers daher bis heute nicht gibt.

Der letzte Vortrag von Dr. Christina von Berlin mit dem Titel „Die sogenannte Türkenuhr – ein Prunkkabinett von 1670“ zeigte abschließend noch einmal wie hoch die Qualität der Augsburger Goldschmiede- und Handwerkerkunst im späten 17. Jahrhundert war und was für prunkvolle und kostbare Objekte in dieser Zeit in Augsburg entstanden.

BVS-Präsident Willi Schmidbauer (links) mit Dr. Frithjof Hampel BVS-Bundesfachbereichsleiter

Hochinteressant, lehrreich und verbunden mit außergewöhnlichen Erlebnissen ging die Tagung zu Ende. Wir freuen uns auf Venedig in zwei Jahren!

 

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