Ánh Nguyen: Art-Managerin und Kunst-Kuratorin aus München
Die ARTIMA Gastbloggerin selbst im Interview.
Normalerweise führt die freischaffende Art-Managerin und Kunst-Kuratorin aus München für ARTIMA Interviews zum Thema #digitalart. Heute steht sie selbst Rede und Antwort.
"Es fließt immer alles ineinander, privat und beruflich spielt Kunst für mich eine sehr wichtige Rolle."
ARTIMA: Liebe Ánh, Du arbeitest als freischaffende Art-Managerin und Kunst-Kuratorin in München, bist wunderbar in der Kunst- und Künstlerszene Münchens vernetzt und mit ihr vertraut. Welchen künstlerischen Hintergrund bringst Du mit? Und wie kam es eigentlich zu dieser immensen Vernetzung?
Ánh: Ich habe von klein auf schon immer gerne gemalt und an Malwettbewerben teilgenommen. Dabei habe ich stets einen der drei ersten Plätze belegt. Am Gymnasium habe ich mich dann für den Kunst-Leistungskurs entschieden. Das hat mir Spaß gemacht und ich wollte diesen Weg auch gern beruflich einschlagen. Das Problem war jedoch zunächst meine Familie: Meine Mutter hatte ganz andere Ambitionen mit mir. Deshalb entschied ich mich für ein Studium der Kunstgeschichte an der LMU in München, weil ich da nach wie vor mit Kunst zu tun habe. Anfangs war meine Mutter trotzdem nicht so begeistert. Sie konnte sich nicht vorstellen wie ich damit meinen Lebensunterhalt bestreiten sollte, aber als ich ihr erklärte, dass ich danach in Galerien, Kunst(auktions)häusern etc. arbeiten könnte, war es dann ok. Während des Studiums habe ich immer schon viel auf Messen, in Aktionshäuser und in Galerien gearbeitet. Mir wurde schnell klar, dass es als Vollzeitjob irgendwie doch nichts ist, weil es anders war, als ich es mir vorgestellt habe. Dann habe ich mich Ende 2016 dazu entschieden, mich selbständig zu machen und ein Gewerbe angemeldet.
Welche Aufgaben hast Du Dir als Kunst-Kuratorin zugeschrieben, was tust Du genau?
Das definiert jeder in seinem Job für sich ein bisschen anders. Ich möchte nicht den typischen Weg z.B. in den Händlerberufen einschlagen, in dem ich Kunst immer mit Geld aufwiegen muss. Wenn ich mich jedoch zu sehr auf ein Fachgebiet spezialisiere, dann wird es schwer sein, an Aufträge zu kommen. Also habe ich für meine Tätigkeit drei wichtige Pfeiler aufgestellt:
Als Art Manager arbeite ich mit Künstlern zusammen und berate wie sie ihr Gewerbe aufziehen und sich besser platzieren können. Gemeinsam planen wir dann Strategien für die Auftritte auf Messen/Ausstellungen und optimieren oder erstellen neue Katalogtexte.
Der zweite Pfeiler ist Art Consulting, hierbei berate ich Sammler und Unternehmen oder begebe mich für sie auf der Suche nach bestimmten Objekten. Wenn jemand seine Praxis oder seine Wohnung einrichten möchte, berate ich hinsichtlich dekorativer Aspekte bis hin zur Auswahl von Kunst als Investmentobjekt.
Und der dritte Pfeiler, dazu gehört alles, was mit Ausstellungskonzepten zu tun hat. Ich agiere dann als Projektleiterin für Messewesen bis hin zu individuellen und musealen Ausstellungen, die staatlich gefördert werden. Als Kunstvermittlerin halte ich auch regelmäßig Eröffnungsreden, Führungen und Fachvorträge.
Du schreibst gerade an einer Doktorarbeit. Welches Thema steht bei Deinen Forschungen im Mittelpunkt und was ist Dein Ziel nach Abschluss dieser Arbeit?
Für mich ist es tatsächlich ein absolut persönliches Ziel, die Doktorarbeit zu schreiben. Beruflich wird diese keinen großen Unterschied machen. Es ist einfach für mich selbst ein Punkt, den ich gern schaffen möchte.
Mein Thema ist die klassische Malerei in Streetart. Ich erkunde, warum gerade Streetart- Künstler sich für klassische Malerei interessieren, obwohl sie ja eigentlich die Rebellen der Szene sind, die das typisch Traditionelle durch ihre rebellische Kunst überwinden wollen, aber gleichzeitig wieder zu Themen und Motiven von alten Meistern greifen.
Dieses Thema kann ich nicht in der akademischen Fachliteratur nachlesen und beantworten. Das erfordert sehr viel Feldforschung – und Zeit.
Du hast für ARTIMA schon mehrere Beiträge als Gastautorin geschrieben. Zum Beispiel alle Interviews der Reihe #digitalart – Die Kunst mit Licht zu malen. Außerdem hast Du einen großartigen Artikel geschrieben, in dem es um die Ursprünge von Graffiti in München in Abgrenzung zu Berlin geht. Was fasziniert Dich an Graffiti und sprayst Du selbst?
Ja, selbst sprayen tue ich auch, aber das ist kein Vergleich zu dem Graffiti der Künstler, sondern nur ein Hobby. Ab und an gebe ich kleine Workshops, wir sprühen dann mit Schablonen, so ähnlich wie Banksy das tut, aber das war es dann auch schon. Ich sehe mich selbst nicht als Sprayerin.
Streetart finde ich interessant, weil es nicht alltäglich ist. Wenn man sich Künstler vorstellt, denkt man meist an Künstler, die mit einem Pinsel in der Hand vor einer Staffelei stehen. Bei Graffiti Künstlern ist das eben total anders, weil es ganz andere Materialien sind. Sprayen ist keine moderne Methode aus der Neuzeit. Bereits in der Steinzeit wurde gesprayt. Man hat Farbpigmente mit Wasser angerührt, mit dem Mund aufgenommen und aus dem Mund herausgesprüht, so entstanden z.B. "Stencils" von Handabdrücken. Dementsprechend ist die Erfindung nichts Neues, nur das Material hat sich weiterentwickelt. Das hat mich fasziniert, diesem Thema wollte ich mich gern mehr widmen.
Bist Du in München aufgewachsen oder ist die Stadt Deine Wahlheimat?
Wir sind als Familie 1992 nach Deutschland gekommen. Ich bin dann in Weilheim, also zwischen München und Garmisch, aufgewachsen. Dort waren wir die ersten Asiaten und ich habe dort meine gesamte Kindheit verbracht. Ende meines Studiums bin ich dann aus beruflichen Gründen nach München gezogen. Weilheim war aber eine kulturgeprägte Stadt, weil Kandinsky dort sehr viel gemalt hat. Durch die Nähe zu Murnau hat man sehr viel Kontakt zu den Blauen Reitern, was sicher meine künstlerische Ader beeinflusst hat. Aber eigentlich war ich schon immer fasziniert von der Architektur, Malerei und den aufwändigen Verzierungen in den katholischen Kirchen. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Geheimnisse und Geschichten hinter jeder Darstellung zu lüften und mehr über die Baugeschichte und Symbolik zu erfahren.
Dieses Interesse führte eben unweigerlich zu meinem Studium der Kunstgeschichte.
Bist Du auch mit Kunstszenen anderer Städte oder vielleicht Länder vertraut?
Mein Gebiet ist ziemlich weitläufig. Sich komplett international zu fokussieren, ist nicht einfach. Es wird einem immer geraten, sich auf ein Fachgebiet zu spezialisieren. Ich habe mich aber nie 100% spezialisiert, sondern immer geschaut – was gibt es Neues, wo und welche neuen Trends entwickeln sich – und weil ich mich stetig im allgemeinen weiter informiere, ist es schwierig, sich international gleichzeitig mit einzelnen Kunstprojekten auseinanderzusetzen.
Deshalb liegt mein Fokus mehr auf der regionalen Kulturszene Münchens, aber es ergeben sich durch das ein oder andere Projekt weitere Connections z.B. aktuell nach Stuttgart, Berlin oder auch Mexiko.
Wenn ich dies fragen darf: Womit beschäftigst Du Dich gern privat?
Es fließt immer alles ineinander, privat und beruflich spielt Kunst für mich eine sehr wichtige Rolle. Abseits meiner beruflichen Tätigkeiten zeichne ich gern oder erstelle aufwändige Tortendesigns. Es macht mir viel Spaß zur Abwechslung auch mal selbst meine Kreativität umzusetzen.
Welche Interessen verfolgst Du noch?
Im Gegensatz zu Streetart beschäftige ich mich nun auch vermehrt mit digitaler Kunst, weil man in dieser Richtung mit Künstlicher Intelligenz, Video-Mapping, Virtuelle Realität, NFT etc. viel mehr Potential hat und freier in der Gestaltungsmöglichkeit ist. Negative Aspekte im Bereich Streetart sind einmal der Battle innerhalb der Szene, der unangenehm werden kann. Jeder meint, er hätte das Recht „Streetart“ in der Szene zu definieren.
Der andere Aspekt ist, dass die Umsetzungsprozesse bei den Behörden sehr zeitaufwändig und langwierig sind bis man die Genehmigung und Unterstützung vom Bauamt, dem Kulturreferat, Vereinen und Stiftung erhält… Es ist unheimlich schwierig freie Flächen, die der Künstler bemalen darf, zu finden und genehmigt zu bekommen. Das hat mich desillusioniert, weil der bürokratische Aufwand viel höher und die Erfolgschance deutlich geringer ausfällt als bei Projekten mit digitaler Kunst.
Bei welchen Aktionen kann man Dich dieses Jahr treffen und mit Dir persönlich ins Gespräch kommen?
Ich bin immer vorsichtig, aufgrund der aktuellen Coronalage, konkrete Pläne zu machen. Aber es wird auf jeden Fall bis Ende des Jahres ein tolles digitales Projekt geben. Ich arbeite hierfür mit einer digitalen Künstlerin und einer Choreographin zusammen, das Projekt heißt ENCOUNTER und verbindet Kunst mit Virtual Reality und Tanz. Es ist eine Tanzperformance auf verschiedenen Ebenen: Du kannst sie normal in der Realität anschauen, weil die Tänzer ja tatsächlich live vor Dir performen. Zeitgleich werden sie durch einem Motion-Capture-Anzug in eine virtuellen Welt reinprojiziert, wenn Du die Brille aufsetzt, erlebst Du die Performance in einer anderen Dimension. Ich denke, das wird sehr spannend und freue mich schon sehr auf die Umsetzung.
Ab dem 13. bis 16. Mai stelle ich mein Projekt ELECTRIC ART auf der Artmuc (Praterinsel München) aus. Mit diesem Projekt möchte ich allen Künstlern verschiedene Möglichkeiten zeigen, wie sie durch die Digitalisierung ihrer physischen Werke einen Mehrwert erzielen und neue Vertriebsmöglichkeiten umsetzen können. Ich berate die Künstler dann bei der Umwandlung ihrer Arbeiten als digitales Kunstwerk. Hierfür arbeite ich mit einem Team von internationalen Digitalisierungsspezialisten und Wissenschaftler aus den Fachbereichen IT, Künstliche Intelligenz, Virtual Reality, Augmented Reality, NFT, 3D Animation und Video Mapping zusammen. Wir möchten Kunst und Wissenschaft vereinen, um kreative Projekte professionell umzusetzen und Künstler bei der Digitalisierung von Kunst zu unterstützen.
Wo kann man mehr über Dich erfahren?
Das Interview führte Isabelle
Vielen Dank, liebe Ánh, für dieses offene Gespräch.
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