Kunstszene

Aktueller Kunstgenuss in Hannover

Niki de Saint Phalle, Alice Aycock, Alexander Calder und viele mehr!

Die aktuelle Auswahl an Ausstellungen in Hannover soll Lust auf einen Ausstellungsbesuch im Frühjahr machen.

Alice Aycock Another Twister (Joao), 2015. Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG

Es galt ein Jubiläum in Hannover zu feiern: 50 Jahre Nanas von Niki de Saint-Phalle. Am 14. Januar 2024 wurden die Nanas 50 Jahre alt. 1974 lösten die farbenfrohen Figuren bei ihrer Enthüllung noch Proteststürme aus, heute sind sie den Hannoveranern lieb und teuer und aus dem Stadtbild und der Kulturszene nicht mehr wegzudenken. Sie stehen am Leibnizufer – und sind auch bei einem Abendspaziergang eine tolle Kulisse.

Die drei sind nach der Kurfürstin Sophie, Charlotte Buff und Caroline Herschel benannt.

Im Jahr 2000 wurde die Künstlerin Niki de Saint Phalle zur ersten und bislang einzigen Ehrenbürgerin der Stadt ernannt. Aus Dankbarkeit vermachte sie 300 ihrer Werke dem Sprengel Museum Hannover.

Leibnizufer Hannover, Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG
Niki de Saint Phalle, Nana (Sopie), 1974, Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG
Niki de Saint Phalle, links Nana (Charlotte), 1974, Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG
Niki de Saint Phalle, Nana (Caroline), 1974, Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG

Schon seit den 1970er Jahren ist die Kunst im öffentlichen Raum für Hannover als Kulturstadt prägend. Die Landeshauptstadt besitzt mehr als 180 Werke renommierter Kunstschaffender, darunter internationale Größen wie Alexander Calder vor dem Sprengel Museum und die tolle Arbeit von Alice Aycock.

Alice Aycock Another Twister (Joao), 2015. Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG
Alexander Calder, „Hellebardier“, Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG

Die Skulptur „Hellebardier“ von Alexander Calder steht seit 1978 auf dem Kurt-Schwitters-Platz direkt vor dem Sprengel Museum am Nordufer des Maschsee und korresponiert mit dem „Fackelträger“ von Hermann Scheuernstuhls. Feuerrot setzt sie ein deutliches Zeichen der Moderne gegenüber der aus der Zeit des Nationalsozialismus erhaltenen Plastik und mahnt vor den Fehlern der Vergangenheit. 

Trotz Umbauarbeiten des Sprengel Museums lohnt sich ein Besuch in diesem Frühjahr auf alle Fälle, denn das Museum zeigt noch bis zum 16.06.2024 die spannende Gegenüberstellung von Pablo Picasso und Max Beckmann.

PABLO PICASSO I MAX BECKMANN : MENSCH - MYTHOS - WELT

Es ist die erste Schau, die die beiden Schwergewichte der klassischen Moderne in einer umfangreichen Gegenüberstellung würdigt. Der spannungsreiche Dialog, der sich aus der gemeinsamen Präsentation ergibt, widmet sich den Verwerfungen der Zeitgeschichte zweier Weltkriege, der künstlerischen Neubetrachtung der Welt sowie der von Gewalt und Unfreiheit belasteten Geschlechterbeziehung.

Max Beckmann, Ruhende Frau mit Nelken; Quappi auf dem Sofa bei Licht, Amsterdam, 1942, Öl auf Leinwand, 90,2 x 70,5 cm, Sprengel Museum Hannover, Kunstbesitz der Landeshauptstadt Hannover, Foto: Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover

Toll ist das Farbkonzept der Ausstellung. Beckmanns Werke werden auf roter Wand, Picassos Arbeiten auf violettem Grund gezeigt. Verliert man sich in die Betrachtung der Bilder und achtet nicht mehr auf den farblichen Code, kann es schon einmal passieren, dass man ein Werk dem falschen Künstler zuordnet- so nah standen sich beide damals stilistisch, ohne je etwas vom anderen gesehen zu haben!

Ausstellungsansicht Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG

Im letzten Ausstellungsraum sind die künstlerischen Welten Picassos und Beckmanns dann gemischt auf grauem Grund präsentiert. Herausgearbeitet ist hier die Beziehung von Mann und Frau, die für beide zentrales Thema ist.

Pablo Picasso, Femme au bouquet – Frau mit Blumenstrauß, Horta de Ebro, 1909, Öl auf Leinwand, 60,5 x 52 cm,
Sprengel Museum Hannover, Leihgabe Kunststiftung Bernhard Sprengel und Freunde, Hannover,
Foto: Herling/Herling/Werner, Sprengel Museum Hannover; © Succession Picasso / VG Bild-Kunst Bonn, 2024

Neben den hochrangingen Beständen des Sprengel Museum Hannover und des Von der Heydt-Museum Wuppertal kommen weitere Leihgaben unter anderem aus dem Musée Picasso in Paris, dem Kunstmuseum Basel, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen sowie aus Privatbesitz. Glücklicherweise hat das Landesmuseum die Schau „ich werde noch etwas: paula modersohn-becker in hannover“ bis zum 20.10.2024 verlängert. Nach einem Spaziergang vom Sprengel zum Landesmuseum überzeugt die kleine, aber feine Schau an 39 Werken von der Meisterlichkeit dieser beeindruckenden Malerin, die viel zu früh verstorben ist.

Ein Schwerpunkt der Schau ist die Geschichte der Sammlung, denn nach Hannover gelangten die ersten Werke dieser Künstlerin. Sie wurde in Hannover sehr früh entdeckt und intensiv gesammelt. Die Geschichte setzt im Jahr 1910 mit einer Schenkung des hannoverschen Keksfabrikanten, Mäzens und Kunstsammlers Hermann Bahlsen ein und ist auch in den Folgejahren eng mit der Familie Bahlsen verknüpft. Heute ist es die zweitgrößte Sammlung an Gemälden der Künstlerin (die größte Sammlung beherrbergt das Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen).

Ausstellungsansicht Foto © K.T. / Mannheimer Versicherung AG

Obwohl Paula Modersohn-Becker mit nur 31 Jahren früh verstorben ist und ihre Schaffensphase lediglich zehn Jahre umfasst, besteht ihr Werk aus rund 2.500 Zeichnungen und etwa 800 Gemälden. Von den etwa 400 Figurenbildern, die sie gemalt hat, zeigen davon 250 Stück Kinder, überwiegend Mädchen. Auch deshalb wird Modersohn-Becker der »deutsche Picasso« genannt. Genau wie der Spanier gehört sie zu den bedeutendsten Kindermalern aller Zeiten und ist mit diesem eine Wegbereiterin der Kinderkunst nach 1907.

Paula Modersohn-Becker, Säugling an der Brust, um 1904, Leinwand.
Dauerleihgabe der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung © Landesmuseum Hannover

Ein weiterer spannender Bezug in der Kunstgeschichte wird einem beim Betrachten der Stillleben bewusst, nämlich zu Matisse und ganz besonders zu Cézanne. Kennen konnte Matisse freileicht Modersohn-Beckers Bilder nicht, aber ihren Ursprung haben beide in der Rezeption Cézannes, was dessen Bedeutung für die Moderne noch eimal bekräftigt. Besonders Modersohn-Beckers „Stillleben mit blauweißem Porzellan und Teekessel“ hat klare Bezüge zu Cézannes „Stillleben mit Topf, Becher und Äpfeln“ heute im Metropolitan Museum of Art von 1877.

Paula Modersohn-Becker, Stillleben mit blauweißem Porzellan und Teekessel, 1900, Öl auf Pappe. Dauerleihgabe der Landeshauptstadt Hannover, © Landesmuseum Hannover

Am 19. Januar 1906 schrieb Paula Modersohn-Becker an ihre Mutter: „Denn ich werde noch etwas. Wie groß oder wie klein, dies kann ich selbst nicht sagen, aber es wird etwas in sich Geschlossenes.“ Am 20. November 1907, 18 Tage nach der Geburt ihrer Tochter, verstirbt Paula Modersohn-Becker an einer Embolie. Otto Modersohn notierte ihre (angeblich) letzten Worte in einem Brief: »Wie schade!«

Ein weiteres Highlight für alle Niki de Saint Phalle Fans ist die Grotte im Großen Garten der Herrenhäuser Gärten. Die Innengealtung war das letzte Werk von Niki de Saint Phalle.

Wir wünschen viel Vergnügen beim Kunstgenuss!

Karoline von ARTIMA

Zum Anfang