Kunstszene

Lieven Lefere

The Visibility of the Hidden

Lieven Lefere wurde 1978 in Roeselare, Belgien geboren. Die Kunst und Interior Beraterin Saskia Hendy berichtet über den Künstler und die von ihr kuratierte Ausstellung „The Visibility of the Hidden“, die vom 13. bis 20. Oktober in München stattfand.

Ausstellung "The Visibility of the Hidden"; Foto: ©Lieven Lefere

Der japanische Schriftsteller Jun’ichiro Tazinaki beschreibt in seinem Essay „Lob des Schattens“, wir im Westen seien besessen von unserem Streben nach immer mehr Licht. In der ostasiatischen Kultur aber ist dieses Streben nicht zu finden: „Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selbst zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet. (...) So gibt es ohne Schattenwirkung keine Schönheit.“ In der westlichen Welt jedoch birgt sich im Schatten immer etwas Verdächtiges, Unangenehmes. Wir nehmen das, was sich im Schatten entfaltet, als zwielichtig – im wahrsten Sinne des Wortes – wahr. 

  Im Atelier; Foto: ©Saskia Hendy

Lieven Lefere, 1978 in Roeselare, Belgien geboren, ist ein Künstler, der mit der komplexen Beziehung zwischen Realität und dem fotografischen Bild, zwischen Schatten und Licht, spielt. Lefere ist nicht daran interessiert die Realität abzubilden – Lefere schafft in seinen Bildern eine einzigartige Atmosphäre, die weit über die rein dokumentarische Fotografie hinausgeht.

Er geht dabei bei seiner Arbeit äußerst akribisch vor, sein Prozess ist bemerkenswert langsam. Mit großer Sorgfalt manipuliert er alle Parameter, die ein Foto zu dem machen, was es ist. In vielen seiner Werke konstruiert er das gewünschte Bild zuerst in einem bestimmten Maßstab in seinem Kopf, fertigt dann 1:1 Modelle an, modelliert den Raum und entscheidet schließlich, wie das Licht auf die Szene fallen soll – vor allem aber inszeniert er den Schatten und gibt diesem die Hauptrolle seines künstlerischen Wirkens.

 

 

Wenn Licht eine objektive Realität abbildet, dann bringt der Schatten Unschärfe mit sich und damit Raum für Bewegung und subjektive Interpretationen. Im Werk von Lieven Lefere scheint diese Unbestimmtheit immer präsent zu sein. Es gibt verdeckende Elemente, die beim Betrachter Fragen hervorrufen – der Gesamtüberblick bleibt immer begrenzt. Nicht alles wird enthüllt.

Werke aus der Serie „Shadow is a hole“; Foto: ©Lieven Lefere


Wir wissen nicht, was sich hinter den Holztüren in „Nothing is more visible than things hidden“ verbirgt. Auch wissen wir nicht, wie tief die Gräben in der Serie „Shadow is a hole“ sind, oder was die Objekte in der Serie „Skulls“ beinhalten. Der abgebildete Raum in „National Assembly“ ist uns wohl bekannt, die gezeigte Szenerie lässt uns jedoch Inne halten: real oder irreal? Die Details aus der Serie „Des Ombres et Miroirs“ – sind diese echt, rekonstruiert, gemalt, fotografiert? 

  „Skulls“; Foto: ©Lieven Lefere

Lefere ist ein Meister der Verdunkelung – er zwingt den Betrachter durch die gezielte Verwendung des Lichts – und damit der Hervorhebung des Schattens – mehrschichtige, eigene Interpretationen des Unsichtbaren zuzulassen. Auch die Abwesenheit menschlicher Figuren und seine Faszination für die Unbeständigkeit verstärken diese Atmosphäre noch.
So scheint die Zeit scheint manipuliert: verzögert, eingefroren oder gar abwesend. Es ist diese Mehrdeutigkeit, mit der Lefere spielt, die seinem fotographischen Werk eine unendliche Tiefe und gleichzeitig erhabene Schönheit verleiht.

2012 debütierte Lieven Lefere in seiner ersten professionellen Einzelausstellung „Simularities“ in Roeselare. 2013 wurde das Werk „General Assembly“, eine Zusammenarbeit mit dem Fotografen Charles Verraest, für die belgische UN-Vertretung in Brüssel angekauft. Im Jahr 2019 nahm dieses Werk einen zentralen Platz in der Ausstellung "Kunst und Diplomatie" im Brüsseler Egmont-Palast ein. 

 

 

Es folgten, nach einer künstlerischen Neuorientierung 2014, weitere Gruppenausstellungen als auch, im Jahr 2016, die erste Soloausstellung für die Galerie Casa Argentaurum in Gent. Im selben Jahr nahm Lefere an der Ausstellung „Time-Space-Existence“ im Rahmen der Architektur Biennale Venedig teil. Zeitgleich wurde seine Arbeit, für die alle zwei Jahre stattfindende Benefizauktion für das Museum Dhondt-Dhaenens, nominiert.

Seit 2016 pflegt Lefere eine langfristige künstlerische Zusammenarbeit mit Professor Martin Smith (Forensischer Anthropologe) von der Universität Bournemouth. Die Serie „Skulls“ ist aus dieser Zusammenarbeit heraus entstanden.

Eine Auswahl an Gruppenausstellungen und Messen im In- und Ausland zeigt das große öffentliche Interesse an Leferes Werk:
Because it's in my nature (MI* Galerie, Paris, FR, 2017),
Dark Ground (Krupic Kersting Galerie, Köln, GER, 2017),
Belgian Art & Design Fair (Gent, BE, 2019 & 2021),
Van Eyck in de Diepte (GUM, Gent, BE, 2020), 
The future we want (Palais des nations, Genève, CH, 2020),
The Others Artfair (Turin, IT, 2021) und
Lab24 (Treviso, IT, 2021).

„General Assembly“; Foto: ©Lieven Lefere


Seit 2013 wird Lieven Lefere durch die V/MSP Gallery in Brüssel vertreten. Im Herbst 2023 folgten eine Teilnahme am Internationalen Fotofestival Ostende (CAS Oostende), UNSEEN in Amsterdam und eine Einzelausstellung in Ter Posterie in Roeselare (BE). Für das Frühjahr 2024 ist, in Zusammenarbeit mit dem Verlag Hopper & Fuchs, die Herausgabe der ersten Kunstpublikation über Leferes Werk geplant. Sie enthält Texte von Tim Vanheers und Professor Martin Smith. Die Publikation wird im zeitlichen Kontext seiner Einzelausstellung in Ter Posterie erscheinen.


Weitere Informationen über den Künstler:

info@saskiahendy.com

www.lievenlefere.net

Ein Beitrag von Saskia Hendy

Saskia Hendy und Lieven Lefere –
Ausstellungseröffnungsabend am 13.10.2023
Foto: ©Saskia Hendy


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufnahmen des Ausstellungseröffnungsabends am 13. Oktober und „Artist Talks“ am 19. Oktober 2023. ©Saskia Hendy

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