Kunstszene

Constantin Schroeder

Einblicke in seine kreative Welt.

ARTIMA kennt und begleitet Constantin Schroeder schon eine ganze Weile und war stets fasziniert von seinen großformatigen, detailverliebten Kunstwerken. Nun war es an der Zeit, mal etwas in die Tiefe zu gehen.

Fotos © Constantin Schroeder

ARTIMA: Wie hat sich dein künstlerischer Stil im Laufe der Jahre entwickelt?
In meiner Malerei hinterfrage, verändere und entwickele ich ständig Dinge. Vor ein paar Jahren noch habe ich fotorealistischer gemalt. Außerdem habe ich Teile meiner Bilder mit weißen Auslassungen versehen. Davon bin ich weitgehend abgerückt. Ich setze zwar immer noch weiße Störfelder ein, allerdings eher fließende Partien und Tropfen, die das Motiv und den Betrachter irritieren. Darüber hinaus gebe ich meinen Figuren heute eine recht komplizierte Struktur. Manch einen erinnern diese Muster an Halbleiterchips, an Pixel oder Hieroglyphen. Aus der Nähe betrachtet, sind es abstrakte Formen. Erst wenn man zurücktritt, setzt sich alles zu einem mehr oder weniger fotorealistischen Bild zusammen. Das hat sich langsam entwickelt, weil mich der Gedanke interessiert, dass unsere Welt auf der Makroebene ganz anders funktioniert, als auf der mikroskopischen Ebene – das kennen wir aus der Quantenphysik. Hier gibt es so etwas wie Zufall und Chaos. Schaut man aus der Distanz auf den Makrokosmos, unsere wahrnehmbare Wirklichkeit und die Natur, entsteht aus Ungeordnetheit Klarheit. 

ARTIMA: Gibt es bestimmte Ereignisse oder Erfahrungen, die deinen kreativen Prozess maßgeblich beeinflusst haben? Woher nimmst du die Inspiration für deine Werke – ist es die Welt um dich herum oder eher eine innere, persönliche Reflexion?
Ja, da gibt es etwas. Es sind vor allem bestimmte Interessengebiete, die sich in meiner Arbeit niederschlagen. Die Quantenphysik ist so eines, aber auch Astrophysik beschäftigt mich sehr. Außerdem sind es religiöse Fragen, meist christliche Motive, seit einigen Jahren aber verstärkt buddhistische Ideen, die mich fesseln. Diese Themen greifen alle ineinander. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Existenz nicht allein durch Materie bestimmt ist. Wir beziehen uns zwar auf Strukturen wie Physik und Logik, aber wir sind auch zu Worten und Bildern fähig, die eine Eigenständigkeit haben und die über die materielle Welt hinausweisen – nämlich die geistige Welt. Von außen ist vielleicht nicht sofort erkennbar, dass solche Gedanken meinen Bildern zugrunde liegen, aber ich finde, das muss auch gar nicht sein. Ich habe eigentlich eine diebische Freude daran, für mich zu behalten, was ich mit meinen Bildern intendiere. Ich spekuliere viel lieber darauf, dass meine Bilder beim Gegenüber etwas auslösen und der Betrachter sich gespiegelt sieht.

ARTIMA: Warum immer diese düsteren, monochromen Farbwelten?
Das nehme ich gar nicht so wahr. Meine Bilder haben wohl eine etwas feierlich, getragene Stimmung und es gibt Phasen, in denen die Farbpalette reduzierter ist, aber düster, ich weiß nicht... Ich liebe es so.

Exposed, Öl auf Leinwand, 200 x 180cm, 2021

ARTIMA: Welche Materialien bevorzugst du für deine Arbeiten und warum?
Ich male immer mit Öl auf Leinwand. Weil ich Acryl- und Wasserfarben regelrecht hasse. Ölfarben haben wunderbare haptische Eigenschaften, sie riechen gut, sie trocken langsam, sie sind modulierbar und haben eine hohe Deck- und Leuchtkraft. 

Detail Atelier

ARTIMA: Wie gehst du an ein neues Kunstprojekt heran? Begleitest du es mit einer bestimmten Vision oder entwickelt sich die Arbeit während des Schaffensprozesses? 
Ja, zu Beginn überlege ich mir ein geeignetes Format für meine Idee. Dann entsteht eine Reihe von Skizzen. Die Vorzeichnung auf der Leinwand ist dann meistens schon sehr nah am späteren Ergebnis. Aber beim Malen verändern sich immer noch viele Dinge, zumal bei meinen teils fließenden Bildern auch der Zufall mitspielt. Am Ende reduziere ich meistens noch stark.

Rain, Öl auf Leinwand, 180 x 140cm, 2024

ARTIMA: Wie siehst du die Entwicklung deiner Kunst in der Zukunft? Gibt es bestimmte Ziele oder neue Wege, die du erkunden möchtest?
So etwas kann man nicht strategisch planen. Es ist in der Vergangenheit so gewesen und wird auch in Zukunft so sein, dass Techniken, die Farbpalette und die Themen sich weiterentwickeln. Was ich zu gerne einmal machen möchte, wäre, meine Malerei zu übertragen auf eine Skulptur. Ich liebe das Material Bronze. Ich habe kaum Ahnung davon, aber das reizt mich schon lange. Das ist nur leider kostenintensiv und braucht Zeit für die Entwicklung, ich benötige also zuerst eine Galerie, die das interessiert und unterstützt.

ARTIMA: Was bedeutet Kunst für dich persönlich? Hat sich deine eigene Beziehung zur Kunst über die Jahre verändert?
Sehr viel, sie ist mein täglicher Begleiter. Sie ist für mich so etwas wie Forschung. Der Glaube an etwas hinter den Dingen Stehendes ist der Grund für meine Forschung. Die Suche! Der Mensch ist eben mehr als ein logisches Wesen, meine ich. Das Konzept des Intuitiven ist für mich das Wichtigste. Über Gefühle kann Kunst dem Menschen Erkenntnisse näherbringen. Verständnis ist nämlich ein intuitives Erfassen von etwas, was vielleicht Wirklichkeit sein kann. Wenn ein Künstler also einen Gedanken materialisieren kann, der von anderen logisch verstanden werden kann, regt er Menschen zu tieferem Nachdenken an und blendet den Lärm um sie herum aus. Übrig bleiben nur die Kunst und der Gedankengang. Das habe ich früher nicht so erkannt. Kunst hat mich zwar immer beschäftigt und fasziniert, aber als Kind natürlich oberflächlich, als Student dann viel zu wissenschaftlich. Ich war dabei fixiert auf die Antike und das 19. Jahrhundert. Heute kenne ich mich ganz anders mit zeitgenössischer Kunst aus und habe aufgrund der Vielfalt und Beliebigkeit wohl auch häufig weniger Ehrfurcht vor den Dingen, die als Kunst bezeichnet werden. Und vor dem Markt auch nicht mehr.

ARTIMA: Gibt es für dich feste Rituale oder bestimmte Umgebungen, die deinen kreativen Prozess begünstigen?
Nein, von Ritualen halte ich gar nichts. Ich meine, ich gestalte meinen Arbeitstag schon recht ähnlich wie es die Leute tun, die in Büros arbeiten. Ich setze mir Zeiten für den Anfang und für das Ende. Ich male außerdem grundsätzlich allein und am besten vormittags. Künstliches Licht hasse ich. Gutes Sonnenlicht hebt die Stimmung und begünstigt den Prozess. Außerdem vielleicht Musik.

ARTIMA: Welche Botschaft möchtest du mit deiner Kunst vermitteln? 
Gibt es ein bestimmtes Thema oder Konzept, das sich durch viele deiner Arbeiten zieht?

Ja, seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema des Verstreichens von Zeit und einer eigentümlichen Fragestellung, nämlich wie wir Zeit anhalten können. Das klingt erst einmal verrückt. Zeit ist etwas sehr Faszinierendes. Augustinus hat mal gesagt, wenn ich nicht daran denke, ist mir klar, was es ist, aber wenn ich es erklären soll, kann ich es nicht. Physiker wissen, Zeit lässt sich nicht anhalten, es sei denn wir könnten uns in Lichtgeschwindigkeit bewegen. Tatsächlich ist es aber nun einmal so, dass Zeit vergeht, dass alles fließt und nichts von Dauer ist. Der Moment existiert im Grunde nicht. Das ist eine Erfahrung, mit der wir Menschen umgehen müssen. Der Mensch ist das einzige Wesen, das weiß, dass es sterben wird. Es liegt daher eine Tragik darin, den Moment festhalten zu wollen. Aber auch eine große Schönheit, denn der selbstbewusste Moment ist meiner Überzeugung nach etwas sehr Erstrebenswertes und den können wir durch richtige Übung erreichen.
Neben der messbaren Zeit, die linear fortlaufend ist, gibt es nämlich eine subjektive Wahrnehmung von Zeit. Ich denke, dass es einen Zustand von Geistesgegenwart gibt, in dem ein Mensch die Verfasstheit seiner Umwelt, seines Körpers und seines Gemüts erfahren kann, ohne abgelenkt zu sein. Betrachten und Bewusstwerden, hohe Konzentration führt dazu, den Augenblick zu würdigen. Konzentration ist eigentlich das falsche Wort, es geht mir um eine umfassende, hellwache Offenheit für die gesamte Fülle der Wahrnehmung. Das zeige ich in meinen Bildern, die Betrachtung des gegenwärtigen Moments. Und es geht um das Finden einer Stabilität darin. Meine Figuren, meine Helden - das sind manchmal übrigens auch Tiere als Stellvertreter - stehen immer alleine, gewissermaßen im Regen. Vor diesem dunklen Regen heben sich einzelne weiße Tropfen ab. Sie stehen sinnbildlich für das Verstreichen von Zeit, gelegentlich auch für ein Geräusch, die Emotion eines Augenblicks, usw. - immer jedenfalls für etwas Flüchtiges. Aber meine Figuren verweilen da im Angesicht von Tropfen und Fließen ganz stabil und in Harmonie, in einem Gleichgewicht, in Kontemplation, sie nehmen den gegenwärtigen Moment wahr, betrachten ihn und halten ihn tatsächlich an. Aus Utopie wird in der Kunst Wirklichkeit und aus eigener Anschauung kann ich sagen, dass es eben doch möglich ist, die Zeit anzuhalten. Man muss nur genug üben.

White Emu, Öl auf Leinwand, 140 x 160cm, 2024

ARTIMA: Du bist ja oftmals mit auf den Kunstmessen und im direkten Austausch mit deinen Kunden. Wie gehst du mit der Reaktion des Publikums auf deine Werke um? Hat sich deine Sichtweise auf deine Kunst durch Feedback verändert?
Eigentlich interessiert mich das Urteil zu meinen Bildern nur bei drei mir nahestehenden Menschen. Ich bin kein großer Fan von Kunstmessen, aber was ich schon sehr liebe, ist es, Leute beim Betrachten meiner Bilder unerkannt zu belauschen. Sie haben teilweise fabelhafte Assoziationen und Gedanken. Auf der KIAF in Seoul hat vergangenes Jahr eine Besucherin minutenlang geweint, als sie meine Bilder sah. So etwas bewegt mich dann auch. 

Ansicht Messestand KIAF Seoul 2024

ARTIMA: Gibt es eine bestimmte Reaktion oder Interpretation, die du von Betrachtern als besonders interessant empfunden hast?
Manch einer empfindet meine Bilder als melancholisch und traurig. Das finde ich ganz okay, aber wer meinen Bildern etwa Melancholie unterstellt, der sagt damit vielmehr über sich selbst als über mich. Meine eigene Intention ist für Betrachter manchmal zu stark verschlüsselt, sie legen also etwas aus ihrer eigenen Erfahrungswirklichkeit und Biografie in die Bilder hinein. Das finde ich großartig. Denn das eigentlich Faszinierende an Kunst ist doch, wenn Bilder eine geistige Verbindung zu ihrem Publikum herstellen.

ARTIMA: Welche kommenden Projekte oder Ausstellungen stehen bei dir an?
Jetzt steht die art karlsruhe unmittelbar bevor, da findet man meine neuesten Arbeiten in Halle 1 am Stand der Galerie Von&Von. Für die kommenden Monate sind Ausstellungen in der Pipeline, über dich lieber noch nicht rede, aber es wird spannend!

Detail

ARTIMA: Welche Bedeutung hat der kreative Akt des Schaffens in deinem Leben, abgesehen vom künstlerischen Ergebnis?
Die höchste, würde ich sagen. Er ist alles für mich. Bei mir dreht sich fast alles darum. 

ARTIMA: Wenn du einem jungen Künstler einen Rat für die Zukunft geben könntest, was wäre das?
Liebe deine Arbeit mehr als das Geld, das du dafür bekommst! Geld ist nichts! Und unterscheide nicht zwischen der sogenannten Arbeitszeit und Freizeit! So schreckliche Worte!


ARTIMA: Vielen Dank für diese spannenden Einblicke. Wir freuen uns auf ein Wiedersehen auf der art karlsruhe.

Eure Karoline


 

Einblicke

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