Kunstszene

Zauberer und Dienstleister für das Schöne

Anh Nguyen trifft Video- und Lichtkünstler Raphael Kurig zum ARTIMA-Interview

Raphael Kurig ist Video- und Lichtkünstler. Klingt ein bisschen nach zaubern, oder? Ist es auch irgendwie. Er hat bereits zahlreiche unterschiedliche Videodesigns für Opern, Theaterstücke und Musicals kreiert, darunter für das Münchner Gärtnerplatztheater, dessen Videoabteilung er seit über zehn Jahren leitet. Aber auch Videodesigns für Veranstaltungen in der Semperoper, der Oper Köln und im Theater St. Gallen gehören zu seinen spannenden Referenzen. Raphael ist aber eigentlich sogar doppelter Künstler, denn über die Designs hinaus kennt er sich auch mit deren Regie, Technik und Planung aus. Um seine vielseitigen Talente und Kenntnisse noch besser einsetzen zu können, gründete er 2020 mit seinem langjährigen Kollegen das Unternehmen “WE ARE VIDEO”. Ánh Ngyuen sprach für ARTIMA mit Raphael Kurig über seine beruflichen Positionen, über traditionelles Handwerk versus digitale Arbeits- und Erlebnisformen.

ARTIMA-Interviewpartner Raphael Kurig (© Miki Kuschel)

Es gibt aktuell so viele Begriffe und verschiedene Definitionen für den Bereich Digitale Kunst. Siehst du dich selbst als Video Designer oder Videokünstler, Bühnenbildner, Cross Over Lichtkünstler oder welche Berufsbezeichnung würdest du dir selbst verleihen und warum?
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Videokünstler und Videodesigner? Beide kreieren ja Videocontent, machen also eigentlich das gleiche, könnte man meinen. Nun, nicht ganz. Als Designer habe ich klare Vorgaben, mache Dinge in der Umsetzung zwar frei, aber das Ziel oder die Richtung zumindest sind vorgegeben. Als Videokünstler hingegen bin ich selber in der Verantwortung meines kreativen Handelns. Insofern schwankt meine Berufsbezeichnung und wird ergänzt durch Technische Planung sowie Event-Regie. Letzteres ist eine Art Gestaltung des Ablaufplans einer Veranstaltung mithilfe von dramaturgischen Akzenten, die ich am Theater erworben habe.

Floating Fresko, Arbeitstitel (© WEAREVIDEO) 

Die klassische Bühnengestaltung hat sich durch den Einsatz von Technik rasant verändert. Wie stehst du persönlich zu dem ursprünglichen Handwerk und traditionelle Bühnenbildnisse, die noch von Hand bemalt und gebaut werden?
Für mich hat jede Darstellungsform ihre Berechtigung. Und es ist eigentlich keines durch ein anderes ersetzbar. Neue Möglichkeiten tun sich auf, Arbeitsformen werden weiterentwickelt. Um eine größere Flexibilität bei der Gestaltung von Bühnen zu haben, können Projektionen eingesetzt werden. Sie wirken aber ganz anders, als gemalte Kulissen, weswegen es Bühnenbildner:innen freisteht, welche Art der Gestaltung sie nutzen. Sie müssen sich auch gar nicht entscheiden, die Künste können nebeneinander eingesetzt werden und sich gegenseitig ergänzen. Im Staatstheater am Gärtnerplatz zum Beispiel, der Ort an dem ich meinen Beruf erlernt habe, gibt es neben den Maler:innen, auch Tapezierer:innen und Kascheur:innen, die eine Art der Bildhauerei ausüben, die es nur am Theater gibt. Wir tragen alle zum Bühnenbild bei. Uns unterscheidet eigentlich nur, dass diese Gestalter:innen analog arbeiten und wir digital.

Der Mond, Festspiele Andechs (© Stefan A. Schuhbauer - v. Jena)

Ein typischer Künstler skizziert seine Ideen erstmal auf Papier. Wie hältst du Deine visuellen Einfälle fest und wie skizzierst du Deine Entwürfe?
Wir arbeiten mit Moodboards. Das sind Collagen aus Fotos, Illustrationen, Grafiken…, mit denen wir uns dem fertigen Design nähern. Und wir skizzieren Projekte direkt in 3D Programmen, um sich gleich einen räumlicheren Eindruck zu verschaffen, über das, was man erschaffen will. Das hilft auch im Hinblick auf die technische Umsetzbarkeit. Manchmal bekommt man auch Bühnenbild-Modelle, in die man mit kleinen Projektoren schon einmal das Design reinprojizieren kann.

Zusammen mit Deinem Kollegen Christian Gasteiger hast du die Firma WE ARE VIDEO gegründet. Auf welches Gebiet habt ihr Euch spezialisiert und inwiefern unterscheidet sich diese Tätigkeit von Eurer aktuellen Arbeit im Gärtnerplatztheater?
WE ARE VIDEO haben wir gegründet, um Leute außerhalb der Theaterwelt mit Videokunst zu begeistern und zu inspirieren.
Wenn man abends über einen Platz geht, an dem wir auf ein Haus projizieren und bemerkt, wie sich die Menschen darüber freuen, dann ist das einfach ein schönes Gefühl. Und wenn wir es schaffen anderen Videokünstler:innen zu helfen, ihre Kunst auf Häuser zu projizieren, dann sehen wir uns als Dienstleister für das Schöne.

Lichtwoche (© WEAREVIDEO)

Durch die langjährige Arbeit im Theater, bringen wir Techniken des Videodesigns und Mappings von vielen verschiedenen Inszenierungen in unser Projekte mit ein, sodass wir unsere Kunden eindrucksvoll unterstützen können. Andererseits können wir durch Projekte im musealen Bereich interaktive Techniken entwickeln, die am Theater ungewöhnlich sind. Insofern befruchtet sich die Arbeit wechselseitig. 
Des Weiteren sehen wir einen riesigen Markt darin, plug & play-Produkte - die spielerische, künstlerische oder wissenschaftliche Aspekte haben - Agenturen, Museen und Firmen anzubieten. So steckt man am Ende nur noch ein paar Kabel zusammen und kann die Installation sofort in Betrieb nehmen.

Auch die Erstellung von sogenannten NFT Inhalten (Non-Fungible Token) ist für uns ein interessantes Feld, dem wir derzeit erhöhte Aufmerksamkeit schenken. Denn erstmals kann man unsere Arbeit käuflich erwerben, da diese durch einen nachweisbaren, nicht fälschbaren Code gesichert ist und somit für Sammler:innen attraktiv ist.

An welchem Projekt arbeitet ihr aktuell und was ist hier die größte Herausforderung für dich?
Wir arbeiten gerade an einem neuen Peter Pan Musical im Werk3 Musical Theater. Hauptattraktion ist der Flug aus dem Haus in London, in dem Wendy wohnt und die Zuseher:innen über die Tower Bridge nach Neverland mitnimmt.

Wir benutzen hierbei anspruchsvolle Real-Time-Graphics - eine Technologie, die geometrische Formen, Farben, Reflexionen, Licht und Schatten in Echtzeit berechnet und darstellt. So kann man sich in der ganzen Stadt, die man zuvor erstellt, ohne zeitliche Verzögerung frei bewegen und bspw. in Echtzeit, oder innerhalb eines Wimpernschlags, von Tag auf Nacht wechseln. Diese Technik ist vor allem aus Computerspielen bekannt und wird verstärkt für Kreativschaffende weiterentwickelt und von uns stark benutzt.

      Indivisualist "Chicago 1930", Bühnenbildprojektion (© Raphael Kurig)

Welches Erlebnis erwartet deine Zuschauer in ferner Zukunft und welche Visionen hast du, die heute noch nicht umsetzbar sind? (z.B. eine Theaterübertragung über VR Brillen für Zuschauer zu Hause?)
Wir stehen gerade kurz vor dem Durchbruch der neuen Technologien von XR (Mixed Reality, Virtual Reality, Augmented Reality) im privaten Segment. Dazu braucht es dann wieder ganz neue Formate, die man entwickeln muss. Wir können für XR nicht einfach unsere alten Techniken auf neue Geräte adaptieren, sondern müssen vieles “neu” denken und inszenieren.

Indivisualist, Chicago 1930, Resultat Bühe ( © Christian Zach)

Ich gehe davon aus, dass wir in wenigen Jahren Brillen in der Größe einer Lesebrille haben, mit denen man XR Inhalte per Geste zu-, und wegschalten kann. Das Ausklinken aus der Realität klingt vielleicht auch gruselig, jedoch sind wir dabei, uns damit in positiver Weise zu beschäftigen, um auch hier wieder neue Möglichkeiten zu haben, Menschen zu inspirieren und zu begeistern.

Team WE ARE VIDEO, links Christian Gasteiger, rechts Raphael Kurig (© Sara Kurig)

 

Weitere Infos:
Instagram
: @wearevideo.de , indivisualist.muc , _christiangasteiger
Facebook: wearevideode , @indivisualist
Twitter: @wearevideode
Tiktok: @wearevideo


Das Interview führte Ánh Nguyen 
Art Management & Consulting 


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