Wie koreanischer Pop Saskia Hendy zu "the contemplatives" inspirierte
Saskia Hendy im ARTIMA-Interview über Inspirationsquellen zu ihrer Ausstellung "the contemplatives"
Sie haben die nur einwöchige Pop-up Ausstellung „the contemplatives“ sowohl initiiert als auch realisiert. Wie sind Sie auf die drei KünstlerInnen aufmerksam geworden?
Meine Tochter ist seit vier Jahren ein großer Fan von koreanischer Popkultur, speziell von der Band „BTS“. Als Mutter war ich anfangs nicht begeistert, ich hatte die Wahl zwischen Abwehr oder mich mitreißen zu lassen. Ich entschied mich fürs mitreißen lassen.
Auf einem Porträt des Sängers der Band sah ich, dass er eine „Moon Jar“ liebevoll – wortwörtlich – umarmt. Ich wunderte mich darüber, dass ein junger Mann von Mitte 20 sich mit einer Keramik so zu identifizieren scheint und begann, nach der Bedeutung zu recherchieren. (Ich fand das Portrait aber auch unglaublich sympathisch. Hier zu sehen )
Moon Jars sind eine Keramik, die es nur so in Korea gab - und wieder gibt, nachdem sich einige zeitgenössische KeramikerInnen wieder mit dem Thema beschäftigen.
Die darauffolgende tiefere Beschäftigung mit der Geschichte Koreas, dem Land und seiner Teilung als auch v.a. mit seiner Kunst und den Künstlern (z.B. Yun Hyong-Keun, Lee Ufan oder auch der in Deutschland lebenden Song Hyun-Sook) - speziell also der Kunst ab 1955 - haben eine große Faszination bei mir ausgelöst.
In meiner weiteren Auseinandersetzung mit den „Moon Jars“ hatte ich großes Glück, als ich eine - zwar gerade beendete - Ausstellung in London beim Galeristen Tristian Hoare im Internet entdeckte. Ich rief an und berichtete, wie sehr mich Moon Jars interessieren. Er lud mich nach London ein, packte alle Moon Jars, die er nach der Ausstellung eigentlich bereits fortgeräumt hatte, wieder aus, und zeigte sie mir. Ich war hingerissen von der Größe, der Ruhe, der Strahlkraft. Jedes Moon Jar ist ein Unikat. Mich beeindruckt die Entspannung, die man empfindet, wenn man sie betrachtet. Selbst der Klang ist einzigartig.
Auch ist nicht jedes Moon Jar gleich weiß - das eine hat mehr einen Grünstich, das andere schimmert mehr bläulich oder gar gelblich.
Ich besuchte eine weitere Galerie in London - Han Collection - und erhielt dort die Namen zwei koreanischer Keramiker, die in Deutschland leben und arbeiten. Es stellte sich heraus, dass Bokyung Kim und Minsoo Lee ihr Atelier SOOBO nur 30 km von meinem Wohnort entfernt haben.
Nach einem ersten Kennenlernen im April 2021 haben die Beiden angefangen, sich wieder mit Moon Jars zu beschäftigen. Von der technischen Perfektion ihrer wunderschönen Alltagskeramik zur künstlerischen Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Tradition sozusagen. Ihren Weg zu beobachten ist beglückend. Während den folgenden häufigen Treffen in ihrem Atelier entstand dann die Idee, eine Ausstellung zu machen.
Im August 2021 habe ich durch Zufall die Bekanntschaft von Isabel Devos in Venedig gemacht. Eigentlich war ich dort wegen der Architekturbiennale.
Aber Ihre Fotografien hatten es mir sehr angetan, da sie mich (ohne dies zu realisieren und ohne einen Zusammenhang zu sehen) an manche Werke koreanischer Künstler erinnerten: ruhig, spannend und entspannend zugleich, schön in einem verborgenen Sinne.
Wir kamen ins Gespräch und sie lud mich nach einem weiteren Treffen im Herbst in München zu sich nach Ghent in ihr Atelier ein.
Plötzlich waren die Moon Jars in meiner noch imaginären Ausstellung nicht mehr allein:
Mich fasziniert der gleiche Ansatz, den die Moon Jars als auch die Fotografien für mich darstellten: die Schönheit im Imperfekten sehen, das Anerkennen von Gegebenem, die Ruhe, das Spiel von Licht und Schatten, von hell und dunkel.
Ich bin im Dezember 2021 nach Belgien geflogen und habe im Januar 2022 die drei Künstler zusammengebracht.
War es einfach, die Künstler für die Ausstellung zu gewinnen?
Ich glaube die Künstler haben in ihrem ersten Kennenlernen sofort erkannt, dass sie vom selben sprechen, jedoch jeder sein eigenes Stilmittel dazu mitbringt. In diesem Fall war die Kunst die verbindende Sprache - wir haben uns alle ab dem ersten Treffen verstanden und wussten genau, was der andere meint.
Welchen Hintergrund bringen Sie mit und wie gestaltet er sich aus?
Ich habe ursprünglich Kunstgeschichte studiert, danach Innenarchitektur. „Hauptberuflich“ steuere ich innenarchitektonische Projekte in Teilzeit aus, entwerfe also nicht selbst. Ich hatte das Glück, in meiner beruflichen Laufbahn dadurch mit den unterschiedlichsten, namhaften Innenarchitekten und Designern zusammen kommen zu können und habe projektweise eng mit ihnen zusammengearbeitet. Dadurch konnte ich sehr viel lernen, wie sie - jeder für sich - an das Thema „Raum“ herantritt.
Ich begleite projektweise Bauherren und entwickle mit Ihnen ganzheitliche Raum- Farb- und Materialkonzepte. Ich merke oft, dass Menschen oftmals „nur“ von Raum zu Raum denken und dann viel zu viele Materialien und Farben Anwendung finden, anstatt ganzheitlich zu denken und zu reduzieren. Ich versuche sozusagen Ruhe hineinzubringen.
Letzten Endes tun dies Innenarchitekten und gute Inneneinrichtungshäuser auch. Aber ich habe keine Intention ein Produkt (den Entwurf oder ein bestimmtes Möbel) zu verkaufen. Ich versuche gestalterisches und kommunikatives Bindeglied zwischen Bauherr und Architekt zu sein.
Die Ausstellung ist nun das Debut Ihrer zweiten Leidenschaft, richtig?
Mich irgendwann selbst wieder mehr in die Gestaltung mit einzubringen, war wohl einer der Auslöser für die Idee zur Ausstellung. Nebenbei verfolge ich leidenschaftlich gern meine Liebe zur Kunst. Mit der Ausstellung „the contemplatives“ nähere ich mich diesem Thema wieder an.
Haben Sie bereits Pläne für den nächsten Schritt/die nächste Ausstellung oder zieht „the contemplatives“ weiter an einen anderen Ort?
Jedes Moon Jar, welches in dieser Ausstellung gezeigt wird, ist ein Unikat. Die Fotografien von Isabel Devos sind - wenn nicht Unikate - dann nur in Kleinstserie erhältlich. Da man ja die Werke käuflich erwerben kann, hoffe ich, dass „the contemplatives“ in dieser Form nicht weiterzieht.
Allerdings würde ich mich unglaublich freuen, wenn eine weitere Ausstellung mit den Arbeiten von Bokyung Kim, Minsoo Lee und Isabel Devos zu Stande käme. Die Arbeit mit den Künstlern hat mir unglaublich Freude bereitet.
Weitere Informationen zur Ausstellung "the contemplatives" im Blogartikel hier auf artima.de
Das Interview führte Isabelle