Kunstszene

Im Atelier von Stephanie Pech - Part 2

Hybrid Moves

Portrait von Stephanie Pech

Anthropometrien, weibliche Körperabdrücke, sind seit einigen Jahren zu einem elementaren Bestandteil ihres Werkes geworden. Was hat es damit auf sich, wie kamen Sie dazu?

Wie Sie schon sagten, komme ich vom Stillleben her. Ich habe eigentlich immer von Menschen geprägte Räume dargestellt, aber der Mensch ist nicht aufgetreten, sondern nur seine Hinterlassenschaften; es gab immer diese Verbindung zur Tierwelt, zu den marinen Lebewesen, Blütenteile und eben diese Alltagsgegenstände.
Irgendwann wollte ich mich bildnerisch erweitern. Ich war aber nie an der malerischen Abbildung des Menschen interessiert und habe so nach Methoden gesucht, ihn trotzdem in das Bildsujet einfließen lassen zu können. Darüber bin ich zu Yves Klein und seinen Anthropometrien gekommen, die ja seitdem in der bildenden Kunst das Arbeiten mit dem menschlichen Körper als „lebendigen Pinsel“ bezeichnen.
Durch diese Körperabdrücke, Farbspuren und -wolken, konnte ich die Bildräume anders konzipieren, sie haben es mir ermöglicht, den Bildraum und auch den Farbraum anders zu ergründen und neu zu kreieren. Es ist für mich eine spannende Sache, aus diesen informellen, archaischen Malspuren heraus meine Malerei weiterzuentwickeln.

Erstes Bild: In Bloom, 2022, Acryl/ Öl/Ölkreide/Spraypaint auf Leinwand, 170x 160 cm; Foto: Eric Lichtenscheidt
Zweites Bild: Falling in Between, 2024, Acryl/ Öl/Ölkreide/Spraypaint auf Leinwand, 140x 360 cm (zweiteilig); Foto: Holger Biermann

Einblicke

Kommen wir doch bitte einmal zu der Arbeitsmethode und den Techniken, wie gehen Sie vor?

Bevor mein Körpermodell eintrifft, habe ich die Leinwände schon vorbereitet, teils mit unterschiedlichen Grundierungen, unaufbespannt, auf dem Boden liegen. Ich arbeite oft auch mit der Rohleinwand, also die grundierte, weiße Seite, ist hinten. Durch diesen Rohzustand der Leinwand, die komplett ungrundiert bleibt, habe ich eine Naturstruktur, die etwas gröber ist; die Anhaftung der Farbe ist besser und der Körperabdruck, die Hauttextur, kommt dadurch viel stärker heraus.
Häufig lege ich schon vorher eine Komposition fest, habe mir in Skizzen überlegt, was später malerisch ergänzt wird. Dann bestimme ich die ersten Farbkontraste und beginne mit dem Modell die Konzeptionen, Vorstellungen und Emotionen, die ich im Kopf habe, in Bewegungs-, Körperposen zu stellen, bevor sie sich dann auf der Leinwand entsprechend bewegt.
Es gibt aber auch Variationen, wo ich das nicht festlege, weil es mir mehr um die reine Bewegung aus der Körpermasse heraus geht, um die gestische Textur, die dann entsteht. Das ist auch immer sehr spannend, weil ich erst richtig anfange Bildideen und Kompositionen zu entwickeln, wenn die Körperspuren da sind.

Also ein zufälliger, nicht kalkulierbares Moment in der Komposition?

Ja, auch wenn ich weiß, wie ich die Setzungen vornehmen wollte, bin ich immer erstaunt, und entwickle mein malerisches Konzept häufig neu.

Sie kombinieren die verschiedensten Techniken und Materialien miteinander, die dann unterschiedliche Texturen auf der Leinwand erzeugen, neben den Hautabdrücken der Anthropometrien vor allem die Frottagen, vielfach in Form von Schlauchabdrücken.

Ja, diese Frottagen durch Max Ernst sehr bekannt, erscheinen dann reliefartig auf der Leinwand. Technisch bedeutet das, dass ich die Frottagen angelegen muss, bevor ich die Leinwand aufspanne, wie auch bei den Anthropometrien. Auch hier bleibt dann oft ein Zufallsmoment in der weiteren malerischen Bearbeitung und Komposition.  Die Frottagen sind ein wichtiges Bildelement und -motiv, da sie wie sensorische Tentakel die konträren Bildwelten miteinander verbinden und mit ihren rauen Texturen noch eine andere Ästhetik mit in das Bild hineinbringen. Die Schläuche erwecken Assoziationen, wie Versorgen, Ernähren, am Leben halten durch medizinische Apparate. Sie können als Sinnbild des Weiterlebens verstanden werden.

Wild Thinking, 2021, Acryl/ Öl/Ölkreide/Spraypaint auf Leinwand, 125x 105 cm; Foto: Eric Lichtenscheidt

Dieses Zusammenbringen von Natur, Alltagsgegenständen, Körperabdrücken - verbinden sich im Bild. Dorothée Bauerle-Willert hat das in dem Katalog zu Ihrer Ausstellung “Floating Strangers“ im Osthaus Museum Hagen treffend beschrieben: „Ihre Malerei läßt Bildfelder entstehen, in denen ein kontinuierliches Gleiten Dinge und Lebewesen, Belebtes und Unbelebtes, Figürliches und Nichtfigürliches aneinandergefügt, ineinander blendet, in eine changierende Liaison, in hybride Neubildungen überführt.“ *

Ja, ganz genau, das Aufeinanderprallen aus unterschiedlichen Lebensbereichen: Teils verbindet es sich oder stößt sich ab; dadurch entsteht ja oft etwas ganz Irritierendes, was uns an ursprüngliche Seinszustände bringt, was der Betrachter vielleicht empfinden kann. Seinszustände, die sich zwischen menschlichen, zwischen den tierischen Protagonisten, auch den Pflanzlichen befinden, wo man nie so genau weiß, ist man halb Tier, ist man halb Mensch und ja, wie besteht man eigentlich selbst in der Welt und was wirft einen auf Urzustände zurück.
Für mich wird es offensichtlich an diesen einfachen kleinen Dingen, was mich auch an der ostasiatischen Malerei, sehr interessiert, - diese Rückbesinnung auf die Einfachheit und auf die kleinen, unbedeutenden und unfertigen Dinge in der Natur und der Lebenswelt.
*Dorothée Bauerle-Willert, Stephanie Pech – Floating Strangers, in: Ausstellungskatalog, Stephanie Pech – Floating Strangers, Osthaus Museum Hagen, Köln 2023, S. 33.

Schwimmingpool, 2020, Acryl/ Öl/Ölkreide/Spraypaint auf Leinwand,100 x 200 cm; Foto: Eric Lichtenscheidt

In der Ausstellung „Hybrid Moves“ in Potsdam gehen Sie aber noch einen Schritt weiter, hin zur Performance. Bisher haben Sie Anthropometrien immer im geschützten, privaten Bereich, hier im Atelier, erarbeitet. Jetzt in Potsdam fand das zum ersten Mal in der Öffentlichkeit statt – was Sie auch als Erweiterung Ihrer künstlerischen Arbeit ansehen?

Ja, genau, einen choreografierten Tanz mit Körperbewegungen als Grundlage und Musik, die Klangkulisse ist, mit sphärischen Klängen das Tempo von Aktionen bestimmt, ist für mich völlig neu. Die Körperabdrücke, die dabei entstehen, kann ich nicht mehr so genau steuern, trotzdem muss ich austarieren, wieviel Abdruck der Körper, wieviel Bewegung auf der Leinwand sichtbar werden soll. Das war ein sehr spannender, sehr konzentrierter, aber auch sehr viel dem Zufall überlassender Bildentstehungsprozess. Auch die passende Musik für mein Thema zu finden, war herausfordernd.
Die Performance fand nicht in der Öffentlichkeit statt, aber das hat auch räumliche Gründe. Ich habe dort eine Wandarbeit anfertigt, dazu wurde eine große Leinwand von 2,70 x 9,00 Metern auf dem Boden gelegt, auf der sich die Tänzerinnen vor und auf der Leinwand bewegten.
Da war für Zuschauer nicht genügend Platz im Raum des Kunstvereins.
Die Performance wurde gefilmt und ist als Video in der Ausstellung zu sehen. Die Resultate der Körperspuren aus dem Tanz heraus, wurden von mir dann malerisch vor Ort weiterbearbeitet

Was hat Sie dazu gebracht, wie sind Sie darauf gekommen?

Der Hintergrund war, dass ich diesen malerischen Prozess sichtbar machen wollte. Viele Menschen sind ganz erstaunt, wenn sie meine Arbeiten betrachten und dann erfahren, dass es sich um Körperabdrücke handelt, da diese Körperabdrücke nicht immer so offensichtlich erkennbar sind. Daher möchte ich den Betrachter am Bildentstehungsprozess teilhaben lassen. Neu ist auch der Tanz als performativer Eingriff in meinen Bildern: Die Farbabdrücke des Tanzes, seine vorausgegangene Dramaturgie, finden sich auf der Leinwand wieder, auf die ich malerische Antworten finden muss. Dieser performative, ergebnisoffene Prozess reizt mich sehr. In der Ausstellung im Kunstverein Potsdam wird die große Leinwand zur ortsspezifischen Wandarbeit und damit zum temporären Mittelpunkt des Kunsthauses.

Warum heißt die Ausstellung „Hybrid Moves“?

Die Ausstellung heißt „Hybrid Moves“, weil zwei Positionen aus unterschiedlichen Lebensbereichen tänzerisch dargestellt werden: einmal die Position von Krabbenschwärmen zum anderen die menschliche Position. Dabei geht es darum, wie die beiden Protagonisten in ihren Lebenswelten aufeinandertreffen. Die Tänzerinnen haben dabei die Choreografie in einer jeweils unterschiedlichen Farbe getanzt.
Nähe und Distanz wird hier zum Thema gemacht: Sie treffen aufeinander, ohne sich aneinander zu kennen, stoßen sich wieder ab, sind irritiert, ein Ränkespiel entsteht, bis sie sich zaghaft, skeptisch miteinander verbinden, um dann wieder auseinander zu gehen. Jeder nimmt einen Teil vom jeweils anderen mit.
Daraus ergibt sich ein Strom von Momentaufnahmen des menschlichen Körpers in unterschiedlichen Konstellationen, die Intimität, Berührung, Schutz, Halten, aber auch die Fragilität, das Ausgeliefertsein und das Loslassen thematisieren. All das, was uns Menschen menschlich macht.

Die Chorographie legen Sie in Kooperation mit den beiden Tänzerinnen fest?

Genau. Zu Beginn stehen sich die beiden Tänzerinnen gegenüber, sehen aber aneinander vorbei, bis ein Rhythmus sie zu Bewegungen animiert.
Ich finde es für mich eine interessante Verbindung, zu sehen, was kommen dabei für Bodenarbeiten, für tänzerische Moves, für Körperspuren heraus, die den Menschenschwarm und den Krabbenschwarm präsentieren; diese Art von aufeinander Zuströmen, sich wieder zurückziehen, auch vielleicht eine Art von Kampf zwischen ihnen, dann aber auch eben wieder das Zurückdriften oder das Verschmelzen dieser Formen. Diese energetischen, lebendigen Dinge kann man auf der Leinwand sehen. 

Das heißt, der Tanz, diese Körperabdrücke waren der Ausgangspunkt für Ihre malerische Weiterführung cora publico? 

Ja, regelrecht work in progress! Durch den Film über die Tanzperformance kann man die Entstehung und Entwicklung der Arbeit von Beginn an sehen und die malerische Fertigstellung während der Ausstellungszeit verfolgen. Das ist für mich eine große Herausforderung, weil ich es mit meiner Malerei gewohnt bin, ganz allein zu sein.

Erstes Bild: Performance zu Hybrid Moves, Tanz auf Leinwand, 2024; Foto: Kristina Tschesch
Zweites Bild: Performance zu Hybrid Moves I, Tanz auf Leinwand, 2024;Foto: Kristina Tschesch 

Einblicke Performance zu Hybrid Moves

Wandmalereien mit Krabbenschwärmen haben Sie schon in früheren Ausstellungen, wie im NRW Kunsthaus in Kornelimünster, im Kunstverein in Unna, auch im Museum in Siegburg gezeigt.

Die Erfahrung mit diesen Raumarbeiten hat mir sicher geholfen, die sind auch in ein paar Tagen entstanden.
In Potsdam habe ich jedoch erstmalig eine riesige Leinwand bearbeitet, während ich bei den früheren Raumarbeiten direkt auf die Wand gemalt habe, mit maximal drei Farbtönen. Eine Leinwand hat da ganz andere Herausforderungen. Im Vorfeld der Performance habe ich die Leinwand schon mit dünnen Lasuren und Cutouts bearbeitet, um mir ein gewisses kompositorisches Grundgerüst zu geben.

Wie muss ich mir den Raum vorstellen? Was ist noch geplant?

Der Raum ist ansatzweise quadratisch, eine Deckenhöhe von über 4 Metern mit Rundbögen. Ausserdem hat er eine schöne Empore, so dass man auch von oben herunterfilmen konnte. Die Raumarbeit wurde dann an einer Hauptwand angebracht und so zum temporären Mittelpunkt des Kunsthauses.
Die Videopräsentation des Mitschnitts aus der Performance mit den beiden Tänzerinnen ist natürlich ein zentraler Aspekt der Ausstellung.
Dazu werden große Leinwandarbeiten von mir präsentiert, die sich mit dem Thema der Ausstellung befassen.
Auch Papierarbeiten aus der Portraitserie, bei denen ich Gesichtsabdrücke von Personen aus meinem Umfeld abgenommen habe, sind zu sehen.

Hybrid Moves, 2024, Acryl/Tusche/Spraypaint auf Leinwand, 270 x 880 cm, Foto: Bernd Hiepe

Mit der Ausstellung “ Hybrid Moves“ geht es Ihnen auch darum, auf die Brüchigkeit im Verhältnis von Mensch und Natur in unserer heutigen Welt aufmerksam zu machen?

Gerade heute, in unserer technisierten, zunehmend automatisierten Welt leben die Menschen immer mehr in einer digitalen, nicht mehr in der realen Welt. Es findet eine zunehmende Entfremdung von Menschen untereinander und im Bezug zur Natur statt. Immer wieder geht es darum, sich in Beziehung zu setzen, zu einem Außen, zu anderen Personen und Lebewesen, einer Umwelt, die nicht nur Natur, sondern auch das Technische, und das Transzendente, und die Verortung in freundschaftlichen, menschlichen und nicht menschlichen Gemeinschaften, miteinbezieht. Hier bei meinem Arbeitsansatz ist das Thema Nacktheit ja auch wichtig. Es soll eine sinnliche Konnotation haben, keine sexuelle. Der weibliche Körper wird Akteur meiner Bildkomposition. Diesen Gedanken finde ich als Künstlerin sehr wichtig herauszustellen.

Die Ausstellung ist noch bis zum 23.06.2024 im Kunstverein KunstHaus Potsdam zu sehen. Auf der Webseite des Kunstvereins ist auch das Video der Tanzperformance veröffentlicht. Frau Pech, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünschen Ihnen insbesondere für diese Ausstellung „Hybrid Moves" viel Erfolg.

Stephanie Pech, geboren 1968 in Unna, lebt und arbeitet heute in Bonn. Sie studierte an der Kunstakademie Münster (1988-1995) und war Meisterschülerin bei Prof. Hermann-Josef Kuhna. Durch Einzelausstellungen und zahlreichen Ausstellungsbeteiligungen ist sie nicht nur einem großen Publikum in Deutschland, sondern auch in Österreich, Belgien und Israel bekannt geworden.  

Ausstellungen 2024 - Vorschau
-“Groll und Heilung“, Meno Parkas Gallery Kaunas, Litauen, 03.05.2024 – 02.06.2024
-“Hybrid Moves“, Kunstverein KunstHaus Potsdam, 12.05.2024 – 23.06.2024
-“Figure ist Out!“, Stephanie Pech – Malerei & Sonja Edle von Hoeßle – Skulpturen, Galerie Tammen, Berlin, 26.05.2024 – 06.07.2024
- Galerie Monica Ruppert, Frankfurt, 5.9.-18.9. 2024
-“Reality Check. Kipppunkte Malerei, Skulptur, Fotografie“, Kunstmuseum Ahlen, 12.10.2024 – 21.01.2025

 

Eure Astrid


 

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