Kunstszene

En Passant - Impressionismus in Skulptur

Die impressionistische Plastik fristet im Gegensatz zur Malerei ein Mauerblümchen-Dasein. Eine Ausstellung im Städel hält dagegen. „En Passant - Impressionismus in Skulptur“ (bis 25.10.) gibt einen guten Überblick über das Thema, sie rückt dabei fünf Künstler ins Zentrum und verdeutlicht damit unterschiedliche Positionen und Herangehensweisen.

Ausstellungsansicht EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur. Foto: Städel Museum

Der Impressionismus ist eine Stilrichtung in der Bildenden Kunst, die sich größter Beliebtheit erfreut. Die impressionistische Malerei ist ein Publikumsmagnet und garantiert schon allein durch die Nennung im Ausstellungstitel hohe Besucherzahlen. Die impressionistische Plastik dahingegen fristet eher ein Mauerblümchen-Dasein. Und dazu passend hat sich ihr Hauptvertreter Auguste Rodin, nie als Impressionist gesehen. Seine Arbeiten gelten durch die Oberflächengestaltung mit „Buckel und Höhlungen“ als paradigmatisch für die impressionistische Plastik. Im Städel Museum in Frankfurt werden noch bis zum 25.10.2020 unter dem AusstellungstitelEn Passant. Impressionismus in Skulptur zahlreiche bildhauerische Arbeiten des ausgehenden 19. Jahrhunderts Gemälden, Zeichnungen und Druckgraphiken gegenübergestellt und schärfen somit den Blick auf die impressionistische Plastik.

Für die Malerei des Impressionismus war die Wiedergabe der unmittelbaren optischen Wirkung eines Motivs von ausschlaggebender Bedeutung: das zügige Malen in der Natur direkt vor dem Motiv, das Einfangen des flüchtigen, vergänglichen Momentes und die atmosphärische Wiedergabe der Natur mit ihren Licht- und Luftstimmungen sind grundlegende Elemente. Viele dieser Gestaltungsprinzipien lassen sich aber nur bedingt mit bildhauerischen Mitteln umsetzen. Ein plastisches Arbeiten vor Ort war für die meisten undenkbar, es ließ sich allenfalls bei Kleinplastiken verwirklichen. Was aber sind denn die gestalterischen Eckpfeiler des impressionistischen Schaffens im dreidimensionalen Raum? Im Gegensatz zur viel beschworenen Malerei des Lichts liegt das Hauptaugenmerk bei der Plastik des Impressionismus auf einem Spiel mit den Oberflächen, auf Licht-Schatten-Wirkungen, Formauflösungen und eben auch auf atmosphärischen Stimmungen und Raumeindrücken. Die Hinwendung zu alltäglichen Motiven und die Verwendung von Materialien, die einem flüchtigen-formauflösenden Impuls folgt, kennzeichnet dabei wichtige Gestaltungsprinzipien. Das Öffnen der Komposition in den Raum hinein durch die Belebung der Oberflächen, die damit einhergehenden Brechungen des Lichts und die formauflösenden Elemente stehen in einem gewollt gestalterischen Zusammenhang mit der Sichtbarmachung und dem bewussten Stehenlassen der Arbeitsspuren.

Den Startpunkt der impressionistischen Plastik bildet die Ausstellung der „Kleinen 14-jährigen Tänzerin“ von Edgar Degas auf der sechsten Impressionismus-Ausstellung im Jahr 1881. Und von diesem Zeitpunkt an bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts arbeiten zahlreiche Bildhauer und Plastiker nach den Eindrücken der Natur. Die Ausstellung „En Passant - Impressionismus in Skulptur“ gibt einen guten Überblick über das Thema, sie rückt dabei fünf Künstler ins Zentrum und verdeutlicht damit unterschiedliche Positionen und Herangehensweisen. Neben Auguste Rodin (1840-1917) sind dies Edgar Degas (1834-1917), Medardo Rosso (1858-1928), Paolo Troubetzkoy (1866-1938) und Rembrandt Bugatti (1884-1916). Dieses Spektrum erweitert sich aber in der Ausstellung durch die Gegenüberstellung mit anderen impressionistisch arbeitenden Plastikern und mit malerischen, zeichnerischen und druckgraphischen Werken des Impressionismus.

Edgar Degas gehört in die Riege der Malerbildhauer, diese haben sowohl in der Malerei als auch in der Plastik ein herausragendes Oeuvre geschaffen. Die Tänzerinnen sind ein zentrales Motiv in Degas künstlerischem Schaffen und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass seine „Kleine 14-jährige Tänzerin“ die Initialzündung für die impressionistische Plastik bildet. Die Verwendung von Alltagsmaterialien in der plastischen Gestaltung hebt den modernen Charakter hervor. Es ist das einzige plastische Werk aus der Hand von Degas, das er zu Lebzeiten ausstellte. Er modellierte seine meist kleinen Studien in Wachs als Bewegungsmodelle und Ausdrucksstudien, die sowohl in seiner Malerei als auch in der Plastik verwendet wurden.

„Es gibt keine Grenzen in der Natur, es kann mithin keine in einem Kunstwerk geben.“, Medardo Rosso

In fast allen Abhandlungen zur impressionistischen Plastik findet sich neben Rodin auch der Name Medardo Rossos. In der monographischen Ausstellung Rossos 1984 im Frankfurter Kunstverein bezeichnete ihn Peter Weiermair als „Bildhauer des Lichts“. Rosso bildet eine sehr eigenwillige aber auch sehr besondere Position mit seinen Arbeiten. Die in Wachs gearbeiteten Köpfe und Figuren scheinen wie aus einer amorphen Masse aufzutauchen. Oft sind die Rückseiten seiner Werke gar nicht ausgeführt, er verzichtet somit bewusst auf eine Rundansichtigkeit seiner Arbeiten. Alle Einzelheiten sind miteinander verschmolzen, sie wirken teils noch wie im Entstehen und doch sind schon alle Teile zu erkennen. Der sie umgebende Raum ist mit dargestellt und bleibt auch mit den Figuren verbunden. Die Betonung liegt auf dem Ephemeren, dem Flüchtigen und Beiläufigen, das die Dinge, Gegenstände und Personen miteinander verbindet und vereinend verschmilzt.

Zwei weitere besondere Facetten der impressionistischen Plastik bilden die Werkgruppen von Paolo Troubetzkoy und Rembrandt Bugatti. Die Porträts von Troubetzkoy bestechen durch ihre bewegte Gestaltung, er stellt dabei glatte Oberflächen wild gestalteten Partien gegenüber. Aber alles bleibt im Gleichgewicht und es entsteht ein Spiel aus akzentuierter Ruhe und Bewegtheit. Auch die nach der Natur gestalteten Tierdarstellungen von Rembrandt Bugatti leben aus ihrer wilden Oberflächenstruktur heraus. Die in Plastilin vor Ort modellierten Kleinplastiken erscheinen wie Charakterporträts, die die Urtümlichkeit der Wesen betont und dafür auf die Details in der Darstellung verzichtet.

Der abschließende Ausstellungraum in Frankfurt ist einer Ausstellung von Auguste Rodin aus dem Jahr 1900 nachempfunden. Rodin ist für die moderne Plastik des ausgehenden 19. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung, sein Figurenempfinden, seine Oberflächengestaltung und die Verwendung des Torsos und des Fragments bilden den Wendepunkt von einer akademisch geprägten Salonkunst hin zu einer freieren, gestalterisch und motivisch offeneren Ausdruckskunst. Sein „Balzac“ radikalisiert alles bisher Gesehene in der Plastik und macht auch vor einer Schieflage nicht Halt. Rodin rückt nicht den Schriftsteller und Mythos Balzac in den Vordergrund sondern verweist auf dessen Charakter und Persönlichkeit mit einer vom Mantel umschlossenen geheimnisvollen Ganzfigur. Rodins Oberflächengestaltung mit Buckel und Höhlungen belebt seine Figuren, das Licht spielt auf den Oberflächen und lässt  die Figuren bewegt und lebendig wirken.

Mit über 160 Werken auf zwei Stockwerken des Peichl-Baues im Städel führt die Ausstellung den Besucher auf einen lehrreichen und erhellenden Rundgang, der viel Raum für Bekanntes aber eben auch für Neuentdeckungen eröffnet. Licht ist ein zentraler Begriff des Impressionismus und Licht bringt diese Ausstellung in einen dunklen Fleck der Kunstgeschichte.

Artikel von Gastautor Uli Weise
 

Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt
Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa, So + Feiertage 10-18 Uhr, Do + Fr 10-21 Uhr
Kartenvorverkauf: shop.staedelmuseum.de


 

 

Zum Anfang