Ratgeber

Wertanlage Kunst: Sicherheit durch Due Diligence

ARTIMA Experten-Know-how von Rechtsanwalt Dr. Nicolai B. Kemle

Vor 50 Jahren war der Kunstmarkt geprägt durch Leidenschaft und Liebe. Gesetzliche Regelungen und die Frage der Herkunft waren wenig beachtet. Kunstkenner, ob Sammler, Auktionshäuser oder Galeristen, konnten durch ihre Erfahrung und ihr erlerntes Wissen das berühmte „Schnäppchen“ machen und durch den Verkauf einen Gewinn erzielen. Sammler beachteten die Kunst und ihre Passion zu einem Künstler, einer Künstlerin oder zu einer Epoche, einem Stil und Ähnlichem. Aber der Kunstmarkt hat sich verändert: Einst lag das Risiko eines Erwerbs allein beim Käufer. Die Fragen nach Provenienz, Echtheit oder echtmäßiger Herkunft blieben oft unbeantwortet. Heute fordern Gesetze, Marktstandards und Erwartungen eine gründliche Prüfung – und machen die Due Diligence zur Pflicht, nicht zur Kür. Die vorliegende Broschüre widmet sich der Thematik, wie mit Due Diligence Risiken minimiert und Werte gesichert werden können.

Abbildung eines notariellen Vertrages und Stempel

Was ist „Due Diligence“?
Der Kunstmarkt bietet faszinierende Möglichkeiten, birgt aber auch Risiken. Eine sorgfältige Prüfung – die sogenannte Due Diligence – ist essenziell, um Authentizität, Herkunft und rechtliche Aspekte eines Kunstwerks für dessen Wert und die potenzielle Wertsteigerung (spätere Verkaufbarkeit) zu klären. Eine Due-Diligence-Prüfung beinhaltet die Begutachtung der Echtheit und der Provenienz (Herkunftsgeschichte) des Kunstwerks, die rechtliche Überprüfung des Erwerbs oder Verkaufs, national und international, eine Markt- und Wertanalyse sowie eine Risikoanalyse zu möglichen Haftungsrisiken und Haftungsübernahmen im Fall von Schäden.

Warum ist „Due Diligence“ auch im Kunsthandel wichtig geworden?
Vor dem Erwerb – oder auch dem Verkauf – ist eine umfassende Analyse der Risiken und Möglichkeiten notwendig. Aktuelle und zukünftige Exportverbote können den Wert nicht nur mindern, sondern fast aufheben. Sie können sogar den eigenen Umzug problematisch machen, wenn die eigene Kunstsammlung als national wertvolles Kulturgut noch nicht einmal Deutschland oder das Gemälde als Denkmal nicht das Bundesland verlassen darf. Die Problematik der Raubkunst oder der Kunstfälschung führt in jedem Falle zu finanziellen Schäden. Selbst wenn der Regressprozess erfolgreich verlaufen sollte, es fehlt immer der potenzielle Gewinn. Eine lückenlose Provenienz-Aufklärung vor dem Erwerb ist notwendig und auch die eigene Nachfrage bei Experten, selbst wenn dies Kosten verursacht. Bisherige Versicherungen müssen geprüft werden, und auch der Transport bietet Risiken, besonders bei moderner Kunst. Aktuelle und kommende gesetzliche Anforderungen müssen beachtet werden. So können Antiken, welche Bestandteile des Nashorns enthalten, durch das weltweite Verkaufsverbot vollständig wertlos werden. Aber auch fehlende Importdokumente oder die Unterschutzstellung im Herkunftsland können einen Verkauf verhindern.

Eine umfassende Prüfung im Rahmen der Due Diligence sollte mindestens folgende Aspekte berücksichtigen:

1. Echtheit und Provenienz
Käuferinnen und Käufer tragen das Risiko, mit Restitutionsansprüchen oder Fälschungen konfrontiert zu werden, sogar Jahrzehnte nach dem Kauf. Besonders bei Werken, die aus historisch sensiblen Kontexten wie der NS-Zeit oder der Kolonialzeit stammen, ist eine sorgfältige Prüfung der Herkunft und der Erwerbsgeschichte unerlässlich. In einem etwaigen Herausgabeprozess können diese Angaben im Rahmen der Beweislast prozessentscheidend sein. Die Prüfung der Echtheit eines Kunstwerks und seiner Herkunftsgeschichte minimiert das Risiko, sich Jahre später mit Fälschungsvorwürfen oder Rückgabeansprüchen auseinandersetzen zu müssen. Kunstwerke, die eine belastete Herkunft haben oder aus fragwürdigen Besitzverhältnissen stammen, können durch Gutachten unabhängiger Sachverständiger, (natur-)wissenschaftliche Analysen, z. B. zur Altersbestimmung, Expertisen zur vollständigen Rekonstruktion der Besitz- und Herkunftsgeschichte oder durch die Überprüfung von Datenbanken wie „Lost Art“ identifiziert werden. Die Feststellung der Echtheit eines Werkes und seine dokumentierte Provenienz sind jedoch nicht nur ein rechtlicher Schutz gegen zukünftige Ansprüche, sie steigern auch den Wert des Objekts im Handel. Transparenz über die Authentizität und Herkunft eines Werkes schafft Vertrauen und erhöht dadurch den Marktwert. Beispielhaft ist hierbei auch zu prüfen, ob Experten schon gegenteilige Meinungen in Foren o. ä. geäußert haben. Dies wird oftmals bei einem Erwerb nicht mitgeteilt, kann aber später auf den Wert bei einem Weiterverkauf erhebliche Auswirkungen haben, das Werk wäre bemakelt bis hin für den Kunstmarkt verbrannt. Ebenfalls gehört dazu eine stichprobenartige Überprüfung des Verkäufers, des Kunsthändlers oder des Auktionshauses, ob dieser bzw. dieses schon bei Problematiken beteiligt war, wie auch der Check sämtlicher weltweiten Datenbanken. Der lokale oder nationale Kunstmarkt ist schon lange nicht mehr ausschlaggebend. Während man sich früher auf sein „Bauchgefühl“ beim Handel mit Kunst verlassen konnte, ist heutzutage eine aufwendige Prüfung nötig, welche entsprechend dokumentiert werden muss.

2. Rechtliche Prüfung
Im Vordergrund steht stets der Kaufvertrag. Der Erwerb eines Kunstwerkes bedarf angesichts des hohen wirtschaftlichen Wertes und spezifischer gesetzlicher Vorschriften einer gezielten rechtlichen Umsetzung. Ein auf den Einzelfall abgestimmter Kaufvertrag schützt Käufer und Verkäufer vor unerwünschten, langjährigen rechtlichen Auseinandersetzungen. Kaufverträge über Kunst sollten immer die Provenienz des Kunstwerks, die Authentizität, den aktuellen Zustand, Gewährleistungsbestimmungen sowie Rücktrittsrechte darlegen und regeln. Eine transparente Vertragsgestaltung schützt beide Seiten und vermeidet spätere Streitigkeiten. Wenn sich Käufer und Verkäufer über den Kauf einig sind, müssen die weiteren gesetzlichen Bestimmungen geprüft werden. Zahlreiche Sonderregelungen und internationale Vereinbarungen beschränken den Handel mit Kunst. Besonders Export- und Importbestimmungen sind beim internationalen Handel mit Kunst von zentraler Bedeutung. Wenn ein Kunstwerk als nationales Kulturgut gelistet ist, kann ein Exportverbot bestehen, das einen Kauf oder einen Verkauf in ein anderes Land unmöglich macht. Ist der Export oder Import grundsätzlich möglich, müssen notwendige behördliche Genehmigungen zur Ein- und Ausfuhr vorliegen. Darunter fällt die Genehmigung nach dem „CITES-Abkommen“ (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora), das den Schutz lebender und ausgestorbener Tier- und Pflanzenarten bezweckt. Besteht ein Kunstwerk bspw. aus Elfenbein, Mahagoni, Schildpatt oder anderen nach dem „CITES-Abkommen“ geschützten Arten, ist die Ein- oder Ausfuhr ohne Genehmigung illegal. Dies gilt auch, wenn das Kunstwerk nur in Teilen aus den geschützten Materialien besteht. Eine Einfuhr ohne die erforderlichen Genehmigungen kann strafrechtliche Folgen haben. Auch zukünftige Gesetze, die eine Ein- und Ausfuhr beschränken könnten, gleichgültig ob für den Umzug oder der Verkauf, müssen in eine Prüfung einbezogen werden. Viele Staaten setzen im 21. Jahrhundert auf neue Kulturgutschutzgesetze (KGSG). Viele davon werden schon im Vorfeld publiziert und angekündigt. So hätte man beispielhaft dem Erwerb eines Kunstwerkes mit der Idee, dieses in ein Museum in Deutschland als Leihgabe zu geben, während der ersten Konsultationen im Rahmen des deutschen KGSG ein negatives Ergebnis der Due Diligence ausgestellt. Dies vor dem Hintergrund, dass damals noch alle Leihgaben als national wertvolles Kulturgut gelistet worden wären.

3. Markt- und Wertanalyse
Eine fundierte Wertermittlung ist unerlässlich, wenn ein Kunstwerk gekauft oder verkauft werden soll. Der Kunstmarkt unterliegt eigenen Dynamiken, Fehleinschätzungen können zu erheblichen finanziellen Verlusten führen. Eine sorgfältige Markt- und Wertanalyse schützt daher vor unrealistischen Vorstellungen und ermöglicht eine bewusste Entscheidung beim Erwerb oder Verkauf eines Kunstwerkes. Spezialisierte Kunstdatenbanken ermöglichen eine zuverlässige Marktanalyse, um den Wert eines Kunstwerks einzuschätzen. Durch den Vergleich mit früheren Auktionsergebnissen oder mit der Verkaufshistorie ähnlicher Werke lässt sich ein realistischer Preisrahmen bestimmen und mögliche Überbewertungen erkennen. Die Bewertung durch sachverständige Experten ermöglicht zusätzlich eine Einschätzung zur Marktrelevanz und zum gegenwärtigen Wert des Werkes auf dem Markt. Neben der Bewertung des Marktes werden dabei auch weitere Aspekte wie der Zustand des Werkes, seine Provenienz und seine Bedeutung auf dem Kunstmarkt berücksichtigt. Die systematische Markt- und Wertanalyse eines Kunstwerks schafft Transparenz, ermöglicht eine realistische Preisvorstellung und bildet die Grundlage für eine überlegte und rechtlich abgesicherte Entscheidung im Kunsthandel. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es „den“ Wert eines Kunstwerks nicht gibt. Man kann sich diesem annähern, aber was ein Objekt einem Dritten wert ist, kann man oftmals im Vorhinein nicht feststellen; Materialwerte ausgenommen. Ob Versicherungswert, Wiederbeschaffungswert, Marktwert oder Liebhaberpreis, eine dezidierte Auseinandersetzung ist auch hier notwendig.

4. Risiken und Versicherungen
Kunstwerke sind häufig nicht nur materiell wertvoll, sondern auch empfindliche Kulturgüter. Sie benötigen besonderen Schutz gegenüber Umwelteinflüssen, wie Temperatur, Licht oder Feuchtigkeit. Unsachgemäße Lagerung oder unfachmännischer Transport können zu großen, nicht mehr rückgängig zu machenden Beschädigungen führen. Aufgrund des hohen materiellen Wertes besteht ein erhöhtes Risiko für Diebstahl. Zur Absicherung gegen Diebstahl, Beschädigung oder rechtliche Streitigkeiten ist es daher essenziell, geeignete physische und rechtliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Spezialisierte Kunstversicherungen decken die besonderen Schadens- und Haftungsrisiken für Kunstwerke ab. Diese Policen versichern Transport- und Lagerungsschäden, Elementarereignisse, Vandalismus sowie Verluste durch Diebstahl und gehen dabei über eine übliche Hausratversicherung hinaus. Die Versicherungsbedingungen können individuell auf das konkrete Kunstwerk abgestimmt werden, um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Eine Rechtsschutzversicherung mit Fokus auf Kunst- und Kulturgüterrecht deckt darüber hinaus mögliche rechtliche Streitigkeiten, z. B. über Eigentum, Authentizität, Vertragsverletzungen oder Streitigkeiten bei Transportschäden, ab. Ein fachkundiger Umgang mit den spezifischen Risiken im Kunstrecht ist nicht nur ein Gebot der Sorgfalt, sondern auch ein entscheidender Faktor für den nachhaltigen Werterhalt und die Marktgängigkeit von Kunstwerken. Die Frage nach einer solchen Versicherung ist ebenfalls im Rahmen der Due Diligence zu prüfen. Hohe Kosten, auch bei Transport, oder vielleicht sogar eine Nichtversicherbarkeit können einen erheblichen Einfluss haben. Während ein Museum dies akzeptieren kann, kann es den Ausschluss potenzieller Käufer und damit eine Wertminderung bedeuten. Der Erwerb von Kunst ist heute weit mehr als eine Frage des Geschmacks oder des Preises, er bewegt sich in einem komplexen Geflecht rechtlicher, ethischer und finanzieller Anforderungen. Eine fundierte Due Diligence ist deshalb unerlässlich, um Risiken zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Neue gesetzliche Vorgaben, etwa im Bereich Kulturgutschutz oder Geldwäscheprävention, sowie internationale Standards zur Provenienzprüfung verlangen zunehmend professionelle Sorgfalt. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung den Kunstmarkt grundlegend: Datenbanken, Blockchain-Technologien und KI-gestützte Prüfprozesse schaffen neue Möglichkeiten, aber auch neue Herausforderungen. Wer heute Kunst kauft oder vermittelt, sollte sich dieser Entwicklung bewusst sein und die Prüfung eines Werks nicht dem Zufall überlassen, sondern strukturiert, nachvollziehbar und mit dem nötigen fachlichen Blick durchführen. 



Autor: Dr. Nicolai B. Kemle 
kanzlei-kemle.de

Zum Anfang