ArtFair Mannheim - ein Zukunftsmodell?
Eine Galerie packt an und entwickelt erste virtuelle Kunstmesse für die Region Rhein-Neckar
Innovative Ideen und Motivation gibt es branchenweit aber auch auf Galerieebene genug. Ein Zwischenbericht zur ersten virtuellen Kunstmesse der Region Rhein-Neckar: Die ArtFair Mannheim
„Ich habe ein Bild verkauft.“ – Ein Satz, der nicht nur einen Künstler höheren Alters ohne eigenen Internetanschluss glücklich stimmte, sondern der auch die Organisatoren der ArtFair Mannheim in ihrer Idee bestärkte.
Als ab Mitte März die analoge Kunstwelt aufhörte, sich zu drehen, gab es zwei Möglichkeiten: In eine Schockstarre zu fallen und dort zu verweilen oder sich seiner Kompetenzen und Möglichkeiten bewusst zu werden und anzupacken. Die Prince House Gmbh aus Mannheim entschied sich fürs Anpacken.
„Welche Rolle und welche Verantwortung haben wir als Galerie in und für die Branche und für einzelne Künstler?“ fragten sich Eva Herzer, Laura Sobez und Johann Schulz-Sobez, die drei Gründer und Geschäftsführer der Prince House GmbH. „Wenn ein Künstler sich für den Galerieweg entscheidet, dann geht man eine Partnerschaft ein, die auch irgendwie verpflichtet“, erklärt uns Laura Sobez. Passivität war in den Augen der drei Organisatoren an dieser Stelle fehl am Platz.
In allen Bereichen schossen virtuelle Formate aus dem Boden, so auch in der Kunst: Mit der „discovery art fair.Virtual“ war im April die erste deutsche virtuelle Messe für die Kunst entwickelt worden, die von Künstlern, Galeristen und Kunstliebhabern gut angenommen wurde.
Der Mut, als Galerie eine große, virtuelle Messe auf die Beine zu stellen, fehlte der Prince House GmbH bislang, auch wenn die Idee für rein virtuelle als auch für hybride Angebote schon längere Zeit bestand und Johann Schulz-Sobez bereits berufliches Know-How rund um virtuelle Events gesammelt hatte. Geplant waren zunächst Veranstaltungen im kleineren Rahmen.
Foto: Prince House GmbH
Doch im Mai wollten die drei eine Lösung finden: „Wir alle haben Anteil am Gelingen dieses Marktes und wir überlegten, wie wir mit dem, was wir als Galerie können, Künstlern in der aktuellen Situation einen Mehrwert bieten können.“ Mit der „ArtFair Mannheim“ entwickelten sie innerhalb von sechs Wochen ein für die Region Rhein-Neckar neues Veranstaltungsformat für die Kunst, dem sich über 70 Künstler und Galerien anrund 50 Ständen angeschlossen haben. Das Besondere: Anders als z.B. bei der „discovery art fair.Virtual“ betritt der Besucher tatsächlich zunächst die Eingangshalle einer Messe, kann sich dort am Informationsschalter orientieren und dann seinen Weg in eine der vier Messehallen oder ins Auditorium finden, 24 Stunden am Tag, an sieben Tagen die Woche.
Donnerstags ist Event-Donnerstag, d.h. jeden Donnerstagabend zwischen 18 und 21 Uhr lädt der Veranstalter zum Live-Programm ein: Das Angebot umfasst Vorträge rund um Themen, die für die Branche relevant sind oder auch Videos, die Einblicke in die Schaffungsprozesse von Künstlern bieten. Im Anschluss freuen sich anwesende Galerien und Künstlern über einen regen Austausch per Chat. Und vielleicht geht es dem ein oder anderen dann, wie dem Künstler ohne eigenen Internetanschluss:
„Drei Stunden telefonierten wir vor Messestart mit dem Künstler, der bislang wenig Erfahrung mit der Internetnutzung hatte. Wir erklärten ihm, was er von einer virtuellen Messe erwarten, wie er mit Besuchern, anderen Künstlern und Galerien kommunizieren und seine Bilder am Online-Messestand zeigen und verkaufen kann. Völlig überraschend dann einige Tage später der glückliche Anruf: „Ich habe ein Bild verkauft.“
In dieser Form konnte nicht jeder Aussteller einen messbaren Erfolg verbuchen, auch wenn das Angebot der ArtFair durchaus als gute und unterstützenswerte Idee empfunden wird. Auch ARTIMA ist über die vierwöchige Laufzeit der Messe als Aussteller aktiv und stolz, bei der ersten virtuellen Kunstmesse für die Region vertreten zu sein. An den Eröffnungstagen zeigte ARTIMA zwei digitale Videoinstallationen „Ghostriders in the Sky“ und „Kammermusik in Zeit und Raum“ von Künstler Johannes Karl und wurde von diesem als Chatpartner unterstützt. Das digitale Format bietet die Möglichkeit, Kunst sichtbar zu machen, in Zeiten, in denen Ausstellungen und physische Nähe vermieden werden müssen. Es ermöglicht jedoch nur eingeschränkt das Ambiente wahrnehmen zu können. „Man wusste leider nicht, wer und wie viele Personen gerade den Messestand besuchen und konnte die Personen nicht aktiv ansprechen. So kam meist gar kein Gespräch zustande, obwohl Menschen online waren. Das war sehr schade,“ erzählt Birgit Rolfes, Leiterin ARTIMA. „Kunst und die Kunstpräsentation ist ja immer auch ein sinnliches Erlebnis“, beschreibt es Johannes Karl. Und eine Messe oder Ausstellung ist immer ein Event, dass seinen Reiz auch daraus zieht, dass sich das Interesse an Kunst irgendwo räumlich ballt. Dieses Feeling kann das Digitale leider nicht so vermitteln.“
Foto: Screenshot https://www.artfair-mannheim.de/
Für die Prince House GmbH ist aus einer Unterstützungsidee für die Branche, die erste virtuelle Messe Rhein-Neckars geworden, in der sie einen großen Pioniergeist und viel Freude an der Teilnahme bei den Ausstellern und am Stöbern auf der Plattform zurückgemeldet bekamen. An den Eventtagen verzeichneten die Stände zwischen 180 und etwas über 900 Besucher, 1.400 Einzeluser haben sich bislang registriert.
„Klar, es gibt Lernpunkte, manches würden wir beim 2. Mal anders machen aber insgesamt sind wir sehr stolz, dass wir den Mut gefasst haben, dieses Projekt für die Branche anzugehen und umzusetzen. Wir freuen uns sehr, dass einige Menschen, gerade die Generation 50Plus, ihre anfängliche Unsicherheit und Hemmschwelle abbauen konnten und der Schritt von der analogen in die virtuelle Welt geklappt hat. So konnten sich diese teils eine ganz neue Welt erschließen.“ Für die Zukunft plant die Prince House GmbH, ihre Plattform erst einmal als innovative Website bestehen zu lassen. „Wir werden versuchen, die nächsten Veranstaltungen immer hybrid anzubieten, also zum Beispiel eine Präsenzausstellung in der Galerie mit einem zusätzlichem virtuellem Angebot zu verknüpfen, das auch über das gezeigte Angebot hinausgehen kann.“ Genauso sieht auch Künstler Johannes Karl den Bedarf und spricht damit wohl für eine ganze Generation: „Ich denke, dass Ziel sollte sein, für die Zukunft zu versuchen, das Beste aus beiden Möglichkeiten zu kombinieren.“
Die Covid-19 bedingte Lockdown-Phase hat gezeigt: Innovative Ideen und Motivation gibt es branchenweit aber auch auf Galerieebene genug. Wir sind gespannt, was noch folgt. Knapp zwei Wochen (noch bis 2. August) kann die ArtFair Mannheim nach einer Registrierung noch rund um die Uhr besucht werden.
https://www.artfair-mannheim.de/
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Text von Isabelle