Kunstszene

Die Vielfalt der Bilder

Zur 8. Triennale der Photographie in Hamburg

Alle drei Jahre lädt Hamburg dazu ein, die Welt über das Medium der Photographie zu entdecken, diesmal pandemiebedingt mit einem Jahr Verzögerung. Zehn der wichtigsten Hamburger Kulturinstitutionen zeigen in zwölf Ausstellungen ein Kaleidoskop zeitgenössischer und historischer Fotografie, das unter dem Titel „Currency. Photography Beyond Capture“ von dem international besetzten Team aus vier Kuratorinnen präsentiert wird.

Foto: Deichtorhallen Hamburg: Hall for Contemporary Art - Osamu James Nakagawa, Fences, 2019 ©Osamu James Nakagawa

Alle drei Jahre lädt Hamburg mit der Phototriennale dazu ein, die Welt über das Medium der Photographie zu entdecken, diesmal pandemiebedingt mit einem Jahr Verzögerung.

Zehn der wichtigsten Hamburger Kulturinstitutionen zeigen in zwölf Ausstellungen ein Kaleidoskop zeitgenössischer und historischer Fotografie, das unter dem Titel

„Currency. Photography Beyond Capture“

von dem international besetzten Team aus vier Kuratorinnen präsentiert wird.

Dabei ist der Begriff „Currency“ – übersetzt „Währung“ - nicht in seiner ökonomisch wirtschaftlichen Bedeutung gemeint, sondern fungiert hier als Metapher mit eher allegorischer Bedeutung. „Fotografie ist die Währung, durch die wir heute alles im Leben verhandeln“ sagt die Hauptkuratorin Koyo Kouoh. Und daran sind wir alle tagtäglich beteiligt. Fotografie wird zu einem Medium der Wahrnehmung und Verständigung über geografische, kulturelle und soziale Grenzen hinweg. Durch Fotos versichern wir uns unserer selbst in allen Lebensbereichen und das global – weltumspannend. Eine Sprache, die international ist und grenzüberschreitend „gesprochen“ und verstanden wird. In Abwandlung von Descartes Sentenz könnte man sagen „Ich fotografiere, also bin ich“.

Fotografie als bestimmende Form der Weltaneignung und Selbstvergewisserung ist heute allgegenwärtig. Dabei entscheidet das, was in den bildlichen Medien vom Smartphone bis zum Kino gepostet oder gezeigt wird, was Bedeutung hat und von Wert ist, ob privat oder öffentlich.

In diesem Spektrum der Bilderflut macht es den Fotokünstler aus, vorgefundene Realitäten zu reflektieren und adäquat ins „Bild“ zu setzen. So schaffen diese Bilder es vielmals, verborgene Zusammenhänge darzustellen, um einen Blick zu öffnen für die Realität, in der wir leben.

Indem hier häufig experimentell neue Wege betreten werden, wird auch das Medium selbst immer weiterentwickelt oder neu erfunden. 

Dabei widmen sich die einzelnen Ausstellungen den unterschiedlichsten Themen aus Gegenwart und Geschichte.

Deichtorhallen Hamburg: Hall for Contemporary Art - RaMell Ross, Man (which is his nickname), 2019, aus der Serie South County, AL (a Hale County), 2012-heute ©RaMell Ross

Die zentrale Schau in den Deichtorhallen beschäftigt sich mit einem differenzierten Blick auf die Lebenssituationen und Konflikte unserer Zeit auf unterschiedlichen Kontinenten: das Leben in Sibirien oder im brasilianischen Urwald, Gewalt gegen Minderheiten in aller Welt, seien es nun Frauen in Bangladesch oder farbige und queere Menschen in den USA, exzessive Konsumkultur in Afrika oder die Wahrnehmung von Berlin aus der Sicht von Flüchtlingen. Gezeigt wird die Vielfalt der Gegenwart anhand einer ebenso vielfältigen Auswahl von Fotografen, die hierzulande noch meist unbekannt sind. Ein interessantes Gegengewicht dazu stellt die Ausstellung „Give and take“ in der Hamburger Kunsthalle dar, in der bekannte Größen des Mediums Fotografie vorhandenes Bildmaterial neu bearbeiten und dabei zu spannenden Synthesen kommen.

Foto: Deichtorhallen Hamburg: Halle für aktuelle Kunst - Raed Yassin, The Company Of Silver Spectres, 2021. Acryl-Sprühfarbe auf gefundener Fotografie


Eher historisch wird es in den Ausstellungen des Bucerius Kunstforums und des Museums für Kunst und Gewerbe, die sich zur Aufgabe gemacht haben, den lange vergessenen Fotografen Herbert List in den Blick der Öffentlichkeit zu rücken und sein Werk unter den Aspekten surrealer Inszenierung oder idealisierter Antikenbegeisterung zu beleuchten.

Foto: Herbert List, Unter dem Poseidontempel, Sounion 1937, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv List ©Herbert List Estate / Magnum Photos / Agentur Focus

Sozialpolitisch wird es in diversen Ausstellungen, sei es im Kunstverein, wo mit einer dokumentarischen Arbeit der Fotografin La Toya Ruby Frazier eine Wasserkrise und ihr Effekt auf die Arbeiterklasse nachvollziehbar gemacht wird oder im Museum der Arbeit, das sich der Darstellung von „Streik“ durch die Linse einzelner Arbeiter- und Gewerkschaftsfotografen widmet und dadurch eine neue Authentizität im Blick auf die Geschehnisse erreicht.

Das Museum für Hamburgische Geschichte bringt seine Münzsammlung aus der Zeit des Kolonialismus mit den Fotos des ruandischen Künstlers Chris Schwagga zusammen und veranschaulicht so die Empfindungen, die diese Exponate bei denen hervorrufen, deren Vorfahren das politische und wirtschaftliche Gewaltregime erlebt haben.

Und auch das Museum am Rothenbaum, MARKK, greift die Zeit des Kolonialismus auf. Ein Fotoalbum aus dem Jahr 1868, angelegt von einer Hamburger Kaufmannsfamilie in der britischen Kronkolonie Singapur, wird zum Ausgangspunkt für eine Darstellung dieser Epoche brutaler Ausbeutung und idealisierter Selbstinszenierung.

Foto: MARKK – Museum am Rothenbaum. Kulturen und Künste der Welt Album mit Studioportraits, Stadtansichten und Landschaftsaufnahmen aus Singapur; 1868; MARKK Fotografische Sammlung. Inv. Nr. 84.P.1:1 ©MARKK, Foto: Paul Schimweg


Über die ganze Stadt ist ein Netz von spannenden Ausstellungen gebreitet, das ergänzt und erweitert wird in der „Triennale Expanded“ durch Veranstaltungen privater Initiativen an ungewohnten Orten. Noch bis in den Oktober dieses Jahres hinein gibt es viel zu entdecken. Es lohnt sich.

 


Ein Text von Michael 

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