Kunstszene

„Was bedeutet aufräumen?

Ein Gang über die Jahresausstellung "Aufräumen“ der Gedok München

Annette von ARTIMA, seit 2021 ehrenamtlich im Verein GEDOK München e.V. tätig, war Mitte Oktober zur Eröffnung der Jahresausstellung der Künstlervereinigung GEDOK München in der Städtischen Galerie in Traunstein.

Brigitte Heintze: Erotik der Pflanzen – endlich aufgeräumt , 2005-2022 , Zeichnungen, Archivschachtel, Foto: A.N. / Mannheimer Versicherung AG

„Aufräumen“ ist das Motto der diesjährigen Jahresausstellung der Gedok München.

Burgi Mörtl-Körner (2. Bürgermeisterin der Stadt Traunstein), Uta Römer (1. Vorsitzende der Künstlervereinigung Gedok München e.V) und Judith Bader (Leiterin der Städtischen Galerie Traunstein) eröffneten die Ausstellung mit Grußworten und der Frage „Was bedeutet Aufräumen?"

Aufräumen von Chaos? Eine Wiederholung von Ordnung? Oder ist Aufräumen nur ein „lästiges Übel“? Ist mit Aufräumen das innere Aufräumen gemeint:
Klarheit in Denken und inneren Frieden?

Judith Bader beschreibt Aufräumen als einen Prozess zwischen Chaos und Ordnung. Einige Künstlerinnen haben hierfür ältere Arbeiten neu geordnet und wiederentdeckt und diese in einen neuen Kontext gestellt. Andere Künstlerinnen haben vorhandenes Material in Collagen und Assemblagen recycelt und somit eine neue Wertigkeit geschaffen.

34 Künstlerinnen aus ganz Bayern haben sich mit diesem Thema künstlerisch auseinandergesetzt, davon 2 Literatinnen mit ihren Texten. Es geht darum, in welchem Verhältnis in der bildenden Kunst das Chaos zur Ordnung steht. Wann engen Systematik und Ordnung ein und wann bieten Sie Struktur und Halt? Bis zu welchem Punkt ist Unordnung schöpferisch und ermöglicht neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit? Die Entscheidung des Gesehenen und Erlebten ist die Entscheidung des Betrachters.

Sehr viele interessante Arbeiten aus dem Bereich Malerei, Zeichnung, Objektkunst und Multimedia sind zu sehen, ein paar Beispiele möchte ich gerne vorstellen mit den Untertiteln der jeweiligen Künstlerin:

 

3) Katharina Rudolph
Aufräumen- Alles muss raus! 

"Do women have to be naked to get into the Met. Museum?“ 2022, Dreidimensionale Collage, versch. Größen

Katharina Rudolph, Dreidimensionale Collage, versch. Größen, Foto: A.N. / Mannheimer Versicherung AG

„Beim Ausmisten meiner Bücherschränke fiel mir das Buch „Meisterwerke der Aktmalerei“ von 1966 in die Hände und ich dachte: Ein Pornobuch für das gehobene Bürgertum, mit dieser Frauenvorstellung muss jetzt endlich aufgeräumt werden! Gleichzeitig hielt ich inne: So viele schön gemalte nackte Frauen auf schön gedrucktem Papier! Ich beschloss, die ABB umzuarbeiten. Ich kombinierte sie mit Ausschnitten aus meiner Sammlung von Einladungskarten unterschiedlicher Künstler:innen  von Ausstellungen in Galerien und Museen. Durch den Kommentar so vieler vorwiegend weiblicher zeitgenössischer Künstler:innen erhalten die nackten Schönen eine neue Bedeutungsebene.“ Katharina Rudolph
 

Foto: A.N. / Mannheimer Versicherung AG

12) Ergül Cengiz
Neuhämerlemoos, Installation, Video 2019-2022, 10:03 min, Monitor, Kuscheltiere

3 Frauen stehen in einem unordentlichen, kleinen Raum, Sie bewegen sich fast nicht, eine Art Tableau Vivant. Im Raum liegen Gegenstände, die für den Alltag der Künstlerinnen mit Kindern notwendig sind. Sie versuchen in dem Chaos, die Ruhe zu bewahren und ihren Tätigkeiten nachzugehen. Nach einiger Zeit bewegt sich das Bild und die Künstlerinnen sind zu sehen, wie sie im Zeitraffer aufräumen.“ Ergül Cengiz

 

 

 

 

 

 

Foto: Annette Niessen
Foto: A.N. / Mannheimer Versicherung AG

 

11) Irmengard Matschunas
"Archiv der Scherben", 2022
Graue Holzpappe, Archivmaterial, Japanpapier, hohl montiert und kaschiert

Ich wollte das Gefühl aufgreifen, vor einer Kiste mit Scherben zu stehen: global, sozial, politisch, ökologisch, persönlich. Die Scherben passen knapp in ihre Kiste, können ausgekippt, wieder eingesammelt werden. Jede Scherbe ist ein Statthalter für einen ganzen Kosmos an Problemen. Die Archivierung der Kiste gelingt nicht wirklich. Die Scherben entwickeln Dynamik, das, was sie symbolisieren, muss bearbeitet werden. Sie fallen aus der Kiste, damit wir uns um sie kümmern.“ Irmengard Matschunas

 

 

 

 



 

14) Brigitte Heintze „Erotik der Pflanzen - endlich aufgeräumt!“ 2005-2022

"In den Jahren 2004/2005 habe ich auf Abfallpapieren zum Thema „Erotik der Pflanzen“ Zeichnungen gemacht. Nachdem ich diese in mehreren Ausstellungen gezeigt habe, lagen sie all die Jahre ungenutzt in Schubladen herum. Jetzt zeige ich die Zeichnungen geordnet und teilweise übermalt in einer Schachtel in sechs Fächern. Die Besucher dürfen die Zeichnungen neu ordnen.“ Brigitte Heintze

Brigitte Heintze: Erotik der Pflanzen – endlich aufgeräumt , 2005-2022 , Zeichnungen, Archivschachtel, Foto: A.N. / Mannheimer Versicherung AG

 

32) Erika Kassnel-Henneberg „Childhood must be beautiful“ 2022,  | Die Anprobe 2022, Video, 2:40 min

Foto: A.N. / Mannheimer Versicherung AG

„Wir sind das Narrativ aus eigener Erinnerung und der Erinnerung anderer an uns. So formt sich unserer Identität in einem chronologischen Kontext. Aber heute wissen wir, dass Erinnerung weder wahr, noch objektiv, noch vollständig ist.
Wir legen Spuren, sammeln Dokumente und Fotografien, und archivieren diese. Ich sehe darin einen existenziellen Zweifel: Wer bin ich wirklich, wenn ich meinem und dem Gedächtnis nicht trauen kann? Wenn ich keine Spuren hinterlasse, habe ich dann jemals existiert?“

28) Julia Smirnova „Entanglement“, 2022
Gehäkelt mit Kupferdraht, Kunstharz, 52x42x12cm

Bei der Arbeit an Objekten versuche ich meinen Drang zur Ordnung entgegenzuwirken, indem ich die Entstehung der Form möglichst dem Zufall überlasse. Ich gehe ohne Konzept und vorherigen Plan an die Skulpturen ran und lenke die Entstehung der Form erst, nachdem ein Teil der Arbeit intuitiv entstanden ist. Die gleichmäßige Struktur der Maschen gleicht das chaotische Vorgehen aus. Die Abstände zwischen den Maschen spiegeln meinen inneren Zustand wieder: Bei engeren Abständen bin ich konzentriert, bei größeren - entspannt und abgelenkt. Das spätere Eingießen des Objektes in einen Rahmen spiegelt meinen Drang nach Ordnung und System wieder.“

Gehäkelt mit Kupferdraht, Foto: Julia Smirnova


 

Aufräumen: Jurierte Jahresausstellung der GEDOK München

Finissage: Sonntag, 13.11.22
Ausstellungsrundgang mit den Künstlerinnen um 15 Uhr
Lesungen von Barbara Yurtdas und Sabine Jörg, sowie Großpräsentation von Videoarbeiten um 17 Uhr
Die Ausstellung ist Mittwoch bis Freitag von 11 bis 17 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 13 bis 18 Uhr geöffnet.
 


Ein Text von Annette

 

 

Die GEDOK ist die Gemeinschaft der Deutschen und Österreichischen Künstlerinnen und ist mit dem Gründungsdatum 1926 der älteste organisierte Verband von kunstschaffenden Frauen. Die Gründerin, Ida Dehmel aus Hamburg, erkannte wie wichtig es ist, Künstlerinnen in ihrer Sichtbarkeit zu unterstützen. Sie unterstützte vor allem junge Künstlerinnen, die gerade die Kunstakademie absolviert hatten, um ihnen den Weg zu einer professionellen Karriere zu ermöglichen.

Der Verband der GEDOK wurde von Beginn an überregional aufgestellt und, das ist das Alleinstellungsmerkmal der GEDOK, es wurde von Anfang an festgelegt, dass alle Kunstgattungen in dem Verband vereint werden sollten- darüber hinaus wurden auch Kunstförder*innen als eigene Sparte integriert.

Damit legte Ida Dehmel den Grundstein für eine interdisziplinäre Vereinigung und brachte Bildende Künstlerinnen, Angewandte Künstlerinnen, Musikerinnen und Literatinnen, ursprünglich auch Tänzerinnen, unter einem Dach zusammen.

Der gemeinnützige Bundesverband der GEDOK hat 2750 Mitglieder in Deutschland und Österreich und ist in 23 Regionalgruppen organisiert. Die Regionalgruppe in München mit knapp 300 Mitgliedern ist die größte Gruppe Deutschlands.

Die GEDOK hilft dabei, das künstlerische Schaffen der Künstlerinnen sichtbar zu machen. Dazu gehören neben der Öffentlichkeitsarbeit auch die verschiedenen Formate an Veranstaltungen, die wiederkehrend und auch in dieser Ausstellung interdisziplinär sind. 

https://gedok-muc.de/ 

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